Montag, 7. Juni 2010

Am Samstag, den 12. Juni,

... treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (- das ist der seltsame Beton-Koloss, der die Adalbertstraße überspannt -).

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AKTUELLER EINSCHUB: Da es ab 13 Uhr (Start Alexanderplatz) eine große Demonstration für eine solidarische Gesellschaft (und gegen Krisenbewältigung durch Sozialabbau) gibt, wird unser Demospaziergang diesmal um PUNKT 12 Uhr beginnen, und wir werde nur eine 3/4 Stunde spazieren, uns dann aber der großen Demonstration anschließen. Die Demo-Spaziergänge haben ja den Sinn, mit Leuten zu sprechen. Die große Demonstration, wenn sie denn wirklich groß würde, hätte einen anderen Sinn, nämlich ein Signal zu sein, dass es sich lohnt, sich zu verbünden gegen immer weniger solidarische Strukturen. Noch immer, so hoffen wir, gibt es keine Mehrheit für die berühmte "Zweidrittel-Gesellschaft".

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In Krisen lässt sich gut erpressen. Die Ideen zur 'Kostensenkung' im Sozialsystem und in Richtung von 'Workfare' sprießen nur so aus dem Boden und werden verkauft als 'notwendige' Maßnahmen. "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt", heißt es, "und müssen den Gürtel enger schnallen."

Es sei erlaubt zu fragen: Wer hat eigentlich über meine Verhältnisse gelebt? Millionen leben am Rande der Armut oder jenseits, andererseits haben die deutschen Unternehmen, selbst die 'Krise' eingerechnet', immerzu Gewinne gemacht, und sind die Privatvermögen beständig gewachsen. Daraus wird der steile Schluss gezogen, die Armen müssten den Gürtel enger schnallen. Na bravo.

Arbeitslosigkeit und Billiglöhne und immer schlechtere Arbeitsbedingungen im unteren Lohnbereich sind ein Hintergrund der Debatte übers bedingungslose Grundeinkommen. Ein anderer sind die schikanösen Bedingungen, unter denen Arbeitslosengeld gewährt wird. Der Sinn dieser Institution, den einzelnen nicht zum Spielball des Markts zu machen und ihm die Angst vor dessen Macht zu nehmen, ist weitgehend dahin.

Ein Grundeinkommen, dass jeder auf der Grundlage eines Grundrechts erhält, ohne den Rücken in einem Amt beugen zu müssen, würde etwas von diesem Sinn wieder herstellen. ALS ISOLIERTE IDEE WIRD DAS GRUNDEINKOMMEN DAGEGEN GEFÄHRLICH. Man bedenke, dass die FDP unter dem Aspekt der 'Vereinfachung' mit dem Bürgergeld hausieren geht, das immer mal wieder mit dem Grundeinkommen verwechselt wird, und das ja auch tatsächlich der 'rechten' Spielart dieser Idee entspricht: Eine Pauschale, und der Staat verabschiedet sich, den Rest regelt der heilige Markt. Auf diese Weise würde man noch verbliebene solidarische Strukturen verlieren und wäre mit dem Umfang des Grundeinkommens auf Gedeih und Verderb den jeweiligen und möglicherweise neoliberalen Mehrheitsverhältnissen ausgeliefert.

Die Kritik von Daniel Kreutz geht in diese Richtung und ist sehr ernst zu nehmen. Wer aus guten Motiven das BGE für ein 'Patentrezept' hält, könnte den Lohnabhängigen einen Bärendienst erweisen. Es wäre wichtig, zugleich mit dem Grundeinkommen auch Mindestlöhne zum Thema zu machen, auch flexible Arbeitszeiten, auch einen funktionierenden öffentlichen Dienst, solidarische Gesundeitsversorgung, staatliche Schulen und Universitäten. Ein Grundeinkommen vom Betrag XXX würde eben gerade keine Teilhabe ermöglichen, wenn die Universitäten privatisiert werden und das Gesundheitssystem auf horrende Pauschalbeträge umgestellt wird. Auch wenn eine Pointe des Grundeinkommens ist, sich keiner Bedürftigkeitsprüfung mehr aussetzen zu müssen, ist es wichtig, dass es neben einem Grundeinkommen auch bedarfsabhängige Leistungen gäbe. (Wohngeld, das den Mietspiegel berücksichtigt und die Tatsache, dass ein Gehbehinderter einen Aufzug braucht, etc.) Man sollte ohnehin nicht von Beträge reden, sondern von einem Grundeinkommen über dem Armutsniveau. Wie nun aber wird dieses definiert? 50 oder 60 % des mittleren Einkommens? Oder vielmehr über einen Warenkorb, den sich nicht leisten zu können Armut bedeutet? Wenn man mit 50% des mittleren Einkommens seine Kinder nicht studieren lassen könnte, wäre immer noch von Armut im Sinne von Partizipation und Chancen zu reden. Kurzum: Am Slogan von der 'großen Vereinfachung' ist nahezu alles falsch.

Wenn eine Bewegung für ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht auch zugleich eine 'linke' soziale Bewegung ist, wird sie am Ende, da könnte Kreutz recht haben, der Umverteilung von unten nach oben weiter Vorschub leisten. Wenn dagegen das Grundeinkommen getragen wird von Gruppen, die auch nach besseren Arbeitsbedingungen, gewerkschaftlicher Organisation, Mindestlöhnen, einem guten öffentlichen Sektor, der Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse streben, kann was Gutes daraus werden. Dann wären mittelfristig auch Arbeitnehmer dafür, auch Gewerkschaften. Den Pessimismus Kreutz', im BGE auf jeden Fall den falschen Weg zu sehen, teile ich nicht, die von ihm beschriebenen Gefahren sind aber real. Wir BGE-Anhänger reden zu recht vom Menschenbild. Wir reden aber zu wenig von Solidarität, von Gerechtigkeit, von Verteilungskämpfen, vom Kapital. Einige finden linkes Vokabular geradezu "bäh", denn sie sind sich zu wenig dessen bewusst, dass wir in einer Zeit sozialer Kämpfe leben, in der diejenigen, die mit einer sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich ganz zufrieden wären, die Oberhand behalten können. Was ist links, was ist recht, scheinen sie zu denken, wir sind post-links-rechts. Das klingt hübsch, ist aber Quatsch und sorgt dafür, dass viele der von der SPD angeschmierten Arbeitnehmer dieser völlig verlotterten Partei immer noch mehr trauen als der ihnen esoterisch vorkommenden BGE-Bewegung.

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen und vieles mehr als Ziel einer linken Sozialpolitik!