Freitag, 10. Dezember 2010

Und wieder demonspazieren wir am Samstag, den 11. Dezember 2010,

auch wenn die Ankündigung hiermit recht spät und sehr knapp erfolgt.

Das bedingungslose Grundeinkommen auf einem Niveau, das die Freiheit ermöglicht, eine Lohnarbeit zu wählen oder abzulehnen, oder auch eine unbezahlte Tätigkeit auszuüben, wäre gerade kein genereller "Kombilohn", wie manche fürchten, sondern die Überwindung der Zumutung, sich selbst als Ware zu dem Preis, denn man eben kriegt, feilbieten zu müssen. Wir wollen nicht mit Zahlen um uns wefen, sondern die Höhe eines solchen unbedingten Grundeinkommens inhaltlich bestimmten: Es muss anständige Ernährung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Das ist kein Minimalwarenkorb zur Lebenserhaltung, sondern einer, der die Entscheidung gegen eine Lohnarbeit ohne Verlust an Würde ermöglicht.

Es ist bekannt, was in Polemiken darüber gesagt wird:
Verwöhnte Wohlstandskinder, schauen Sie doch mal nach Ghana, Arbeit ist zumutbar, etc.
Derlei Reden verkleistern aber den Umstand, dass Lohnarbeit oft nicht nur schlecht bezahlt und unter schlechten Bedingungen geleistet wird, sondern mitunter schlechten Zielen dient. Eine Arbeit bei einem Waffenhändler oder bei einer Werbeagentur, die Automobile vom Gewicht und Energieverbrauch eines Panzers als 'cool' darstellt, ist allemal schlechter als Gammeln. (...das Böse, was man lässt...)

Wer in einem Rechtststaat auf körperliche Unversehrtheit pocht, kriegt doch auch nicht zu hören:
Schauen se doch mal zum Kongo, verwöhntes Wohlstandskind.
Das bürgerliche Reden über Rechte kennt eben solche und solche. Der Bürger möchte Wohlstand und Gesundheit gewahrt wissen, die Armut der anderen ist aber in Ordnung. Eine jüngst vom Soziologen Wilhelm Heitmeyer veröffentlichte Stude bestätigt leider, dass diese Sicht im Fünftel mit den höchsten Einkommen inzwischen am verbreitetsten ist. Viele werden sich folglich mit Zähnen und Klauen wehren, wenn ein steuerlich finanziertes bedingungsloses Grundeinkommen der oben skizzierten Höhe kommt. So war das vermutlich auch, als der moderne Rechtsstaat die Macht kleiner Grundherren brach, ihre Hintersassen zu (er)schlagen. Und wenn es dazu kommt, dass die Gegner des Grundeinkommens zu wenige wären, um die vielen, die dafür wären, zu bremsen, so wäre das Weltbild der Verlierer ("Die solle was schaffe, Faulenzer, sonst gibt's kaan Pfennisch.") bald schon so rückständig und peinlich wie nach 1805 die Vorliebe gewisser preußischer Junker für die Leibeigenschaft.

Mittwoch, 10. November 2010

Am Samstag, dem 13. November 2010,

... treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (jenes Betonriegels, der die Adalbertstraße überspannt.)

Der letzten Ankündigung ist nichts hinzuzufügen. Susanne Wiests Anhörung im Bundestag ist erfreulich, aber es ist noch ein weiter Weg. Zu viele, ja die meisten, lassen sich gegen die anderen, die ein Grundeinkommen bekämen, aufhetzen. Niedrige Hartz-IV-Sätze werden Niedrigverdienern schmackhaft gemacht, die Einheimischen werden gegen die Einwanderer aufgehetzt, die 'Gebildeten' gegen die 'Ungebildeten', die mit wenigen Kindern gegen die mit vielen. Bettelarme Personen haben wir bei unseren Demospaziergängen schon gegen das Grundeinkommen wettern gehört, weil es dann schließlich auch der Nachbar bekäme, der faule Sack. Gleichzeitig wird eine große Nebelmaschine mit Namen "Aufschwung" angeworfen, die auch Vollbeschäftigung in Aussicht stellt. Dass es häufig Arbeit zu schlechten Bedingungen und noch schlechteren Löhnen ist, wird dabei verschwiegen. Von Freiheit und Glück ist nicht die Rede. Alles Reden von Freiheit scheint auf das Recht zu kaufen und zu verkaufen geschrumpft. Und wer nur die eigene Haut zu verkaufen hat, der ist denkbar unfrei, mon cul.

Und es lässt sich doch hoffen, dass sich viele damit nicht abfinden werden. Für ein bedingungsloses Einkommen!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Am Samstag, dem 16 Oktober...

Achtung: Es handelt sich ausnahmsweise um den dritten Samstag, nicht um den zweiten!


.. treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (jenes Betonriegels, der die Adalbertstraße überspannt.)

Geben wir's zu: Es hat schon mal rosiger ausgesehen für die Chancen, das bedingungslose Grundeinkommen zu verwirklichen. Weder von der Regierung, noch von SPD und Grünen ist derzeit etwas anderes zu erwarten als "Weitermachen!". Die Antwort auf die Arbeitslosigkeit ist das Nebeneinander von Billiglohn und einer Versorgung durch Hartz IV, die weh tun soll. So wird denn ein Billiglohn für den Einzelnen akzeptabel, auch wenn er es gesellschaftlich nicht sein sollte. Und wenn dann die neuen Hartz IV Sätze sich am empirischen Verbrauch auch der Billiglohnempfänger orientieren, wird an die Spaltbarkeit noch der ärmsten Schichten appelliert: Frau von der Leyen wiederholte überall, wo man ihr Gelegenheit dazu gab, ihre Sätze von denen, "die sich ihre kleinen Einkommen selbst erarbeiten" und die schließlich mehr haben müssten als die Arbeitslosen. - Vielleicht gelingt die Spaltung ja und mancher 'arbeitende' Hungerleider neidet seinem arbeitslosen Genossen jeden Cent. Umgekehrt sind aber die kleinen Löhne zu klein, und durch zu kleine Löhne zu kleine oder besonders schikanöse Beihilfe zu begründen, ist recht dreist. So gut wie nirgends aber wurde diese Dreistigkeit aufgedeckt, über scheinkritische Fragen à la Anne Will ging's nicht hinaus.

Und gleichzeitig zieht sich die Verheißung einer 'Vollbeschäftigung' durch gewerkschaftliche und sozialdemokratische Reden, auch hier ohne jede Erwähnung, dass nicht wenige Anstellungsverhältnisse bereits jetzt sittenwidrig sind und nicht als 'Beschäftigung!' bejubelt werden sollten.

Die Forderung nach einem Mindestlohn, die seitens der Gewerkschaften erhoben wird, ist allerdings nicht so schlecht, wie viele Anhänger des Grundeinkommens glauben. Ausbeutungslöhne sollte es mit oder ohne Grundeinkommen nicht geben. Wenn ein Grundeinkommen als Subvention für billigste Löhne erschiene, wären Linke mit Recht dagegen. Leider aber bleiben die Gewerkschaften bei dieser Idee stehen, sie haben den Arbeitslosen und denen, die von diversen Maßnahmen betroffen sind, nichts zu sagen.

Menschen mit einem Grundeinkommen könnten sich aber auch Mindestlöhne und bessere Tarifverträge erstreiten. Jetzt herrscht doch die Angst, Arbeitskämpfe gibt's nur noch bei den ohnehin besser Bezahlten. Heute erzählte mir ein Gebäudereiniger, dass in den großen Firmen seiner Branche kaum jemand nach der 'Probezeit' von 6 Monaten behalten wird, um kein Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld bezahlen zu müssen. (Dabei ist der Gebäudereiniger-Tarifvertrag keineswegs üppig.) Und kaum einer muckt, weil alle irgendwie über die Runden kommen müssen. Un von de Jewerkschaft hörste nüscht. Mit einem Grundeinkommen würden sie aber mucken. Mehr aufrechte Gang wäre möglich, mehr Engagement für eigene und fremde Belange, und nicht zu letzt auch mehr gewerkschaftliche Arbeit.

Die Schaffung einer Armutsschicht (die in den Debatten mal als 'Unterschicht', mal als 'bildungsfern' tituliert wird) ist doch ein sittliches Unding und eine Verschwendung von Begabungen noch dazu. Die Dreistigkeit mit der den Empfängern niedriger Löhne die Begabung, die angeblich zu höheren berechtigen würde, abgesprochen wird, wundert mit immer noch. (Ein Bekannter, ein Ingenieur mit Doktorgrad, war etwa 40 und in leitender Position in einem Industriebetrieb der DDR, als selbige zu existieren aufhörte. Tja, das war's dann. Von da ab nur noch irreguläre Beschäftigung. Als ob's auf 'Bildung' ankäme, wenn man Pech hat. Und als ob viele unserer Großkopferten besonders klug oder gebildet wären.) Wieder so eine Spaltung: Der Appell an die Mittelschichten, sich von den Armen als angeblich Dummen abzuwenden, die 'uns' aus ebenso angeblich eigener Schuld auf der Tasche lägen.

Und noch mehr Spaltungen: Beschworen wird irgendeine Prozentzahl von (angeblich) 'integrationsunwilligen' Mitbürgern, und allenthalben kriecht man aus den Löchern, um noch eines draufzulegen: Der Islam sei das Problem, oder die (angebliche) Dummheit gewisser Einwanderergruppen oder ihr zu geringer Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Der greise Karl Doehring bescheinigt 'dem Islam', er sei nicht verfassungskonform, und Regina Mönch isoliert aus einer Gesamtstatistik über Gewalt an Schulen ebenfalls den Islam. (Hierzu eine Kleinigkeit: Die Planstelle des Schulhoftyrannen war an den Schulen, die ich besuchte, mit Deutschen aus Problemfamilien besetzt. Die haben mich oft verbal und gelegentlich tätlich angegriffen. Wenn dieselben Planstellen in Stadtteilen, in denen sowieso die Hälfte der Jugendlichen Türken sind, mit Türken besetzt sind, macht sich sofort einer anheischig den Schuldigen zu benennen: der Islam. Das überzeugt mich in Erinnerung an meine blauen Flecken wenig. Soziale Probleme, die vielen Demütigungen, die Schule schwächeren Schülern bereitet, und die besondere Zwangsgemeinschaft Schule bringen den Typus des Schulhoftyrannen hervor.) Und wieder klappt's; immer applaudiert irgendwer, wenn's ein anderer abkriegt. Leider hat sich auch Ralph Boes, der sich ums Grundeinkommen verdient gemacht hat, in einem Interview zur Äußerung hinreißen lassen, das BGE sei nur für deutsche Staatsbürger. So kann er's aber nicht gemeint haben, denn dann würden die ganz dreckigen und schlecht bezahlten Jobs hinfort von den Einwohnern ohne deutsche Staatsangehörigkeit gemacht.

Das bedingungslose Grundeinkommen kann etwas gegen diese absurde Spaltung tun, nur lässt es sich kaum durchsetzen, solange diese Spaltung besteht. Umfassende Solidarität ist die Tugend, die sich alle, die ein BGE realisieren wollen, aber auch alle, die diese Demokratie noch nicht aufgegeben haben, auf die Fahnen schreiben sollten. Ganz falsch wäre eine taktische Beteiligung an den Spaltungen: Wir wünschen ein bedingungsloses Grundeinkommen über dem Armutsniveau für alle, die hier wohnen.

Der Demospaziergang am 11. September...

fand statt, auch wenn hier keine Ankündigung veröffentlicht wurde.

Mittwoch, 11. August 2010

Am Samstag, dem 14. August, ...

.. treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (- das ist der seltsame Beton-Koloss, der die Adalbertstraße überspannt -).

Gerade gingen Meldungen durch die Presse, die deutsche Exportwirtschaft habe sich erholt. Laut FAZ verdanke sich das maßgeblich der "Lohnzurückhaltung". Die Trias aus Zeitarbeit, Billiglohn und Arbeitslosigkeit, welch letztere als Drohung die ersten beiden immerzu rechtfertigt, wird als Erfolgsrezept gefeiert. Mit dem Erfolgsgerede kann man aber den Misserfolg nicht zukleistern, der in diesen Dreien sichtbar wird. Schiere Erpressung bringt die, die der Arbeitslosigkeit entgehen wollen, in schlechte Arbeitsverhältnisse. Zwang und Unfreiheit sind an sich schon eine Schande, aber sie sind nicht einmal 'pragmatisch', denn vieles, was Menschen gern und freiwillig tun würden, geht so verloren.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen (in hinreichender Höhe) würde ernsthafte Verhandlungen über zumutbare Lohnarbeit wieder möglich machen. Und auch befreien für andere Tätigkeiten, die nie jemand bezahlt.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Am Samstag, den 10. Juli 2010 ...

.. treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (- das ist der seltsame Beton-Koloss, der die Adalbertstraße überspannt -).

Jeder hat ein Recht auf Nahrung, Wohnung, Bildung und einiges mehr; daher hat auch jeder ein Recht auf ein Einkommen, das die Wahrnehmung jener Rechte ermöglicht. Bevormundung durch die Arbeitsagentur ist unzumutbar und raubt manchem den letzten Nerv und den letzten Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre ein guter Beitrag zum aufrechten Gang, der sich auch sonst als gut erweisen würde. Arbeitsbedingungen, Löhne,
aber auch politische Rechte gehen den Bach runter, wenn sich kaum mehr einer engagiert. Das Grundeinkommen wäre nicht das Ende aller Politik, sondern vielleicht ein neuer Anfang. Warum regt sich kein ernstzunehmender Widerstand gegen die Demontage der sozialen Errungenschaften der Nachkriegszeit? Die einen sind zu deprimiert, die anderen zu ängstlich, die dritten finden, dass es sich um anderer Leute Probleme handelt.

Das Grundeinkommen wird es allerdings auch nur geben, wenn viele sich dafür einsetzen, und
da beisst sich die Katze in den Schwanz. Der Pessimist könnte sagen: Weder für das BGE noch für anderes reicht das Engagement. Andererseits kann man auch eine optimistische Lehre ziehen: Fürs bedingungslose Grundeinkommen zu spazieren kann auch vielleicht dem einen oder anderen helfen, sich für etwas zu engagieren. Die empfundene Stagnation verstärkt sich selbst. Der Glaube an Veränderbarkeit und Beweglichkeit allerdings auch.

Hoffnung ist vernünftig. Unvernünftig ist es dagegen, die Probleme der Gegenwart "auszusitzen" und auf demographisch bedingte Vollbeschäftigung zu warten. (Die Millionen, die bis zum Eintritt dieses hypothetischen Zustands unglücklich sind und es nicht sein müssten, werden dann gewissermassen im Namen der Zukunft verheizt. Ein solches Verhalten hat man vielen totalitären Regimes zu Recht vorgeworfen. Es zeigt sich aber: Auch ohne totalitäre Strukturen kann man einen Teil der Gesellschaft ungestraft abstrafen.)

Montag, 7. Juni 2010

Am Samstag, den 12. Juni,

... treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (- das ist der seltsame Beton-Koloss, der die Adalbertstraße überspannt -).

-----------------------------

AKTUELLER EINSCHUB: Da es ab 13 Uhr (Start Alexanderplatz) eine große Demonstration für eine solidarische Gesellschaft (und gegen Krisenbewältigung durch Sozialabbau) gibt, wird unser Demospaziergang diesmal um PUNKT 12 Uhr beginnen, und wir werde nur eine 3/4 Stunde spazieren, uns dann aber der großen Demonstration anschließen. Die Demo-Spaziergänge haben ja den Sinn, mit Leuten zu sprechen. Die große Demonstration, wenn sie denn wirklich groß würde, hätte einen anderen Sinn, nämlich ein Signal zu sein, dass es sich lohnt, sich zu verbünden gegen immer weniger solidarische Strukturen. Noch immer, so hoffen wir, gibt es keine Mehrheit für die berühmte "Zweidrittel-Gesellschaft".

-----------------------------


In Krisen lässt sich gut erpressen. Die Ideen zur 'Kostensenkung' im Sozialsystem und in Richtung von 'Workfare' sprießen nur so aus dem Boden und werden verkauft als 'notwendige' Maßnahmen. "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt", heißt es, "und müssen den Gürtel enger schnallen."

Es sei erlaubt zu fragen: Wer hat eigentlich über meine Verhältnisse gelebt? Millionen leben am Rande der Armut oder jenseits, andererseits haben die deutschen Unternehmen, selbst die 'Krise' eingerechnet', immerzu Gewinne gemacht, und sind die Privatvermögen beständig gewachsen. Daraus wird der steile Schluss gezogen, die Armen müssten den Gürtel enger schnallen. Na bravo.

Arbeitslosigkeit und Billiglöhne und immer schlechtere Arbeitsbedingungen im unteren Lohnbereich sind ein Hintergrund der Debatte übers bedingungslose Grundeinkommen. Ein anderer sind die schikanösen Bedingungen, unter denen Arbeitslosengeld gewährt wird. Der Sinn dieser Institution, den einzelnen nicht zum Spielball des Markts zu machen und ihm die Angst vor dessen Macht zu nehmen, ist weitgehend dahin.

Ein Grundeinkommen, dass jeder auf der Grundlage eines Grundrechts erhält, ohne den Rücken in einem Amt beugen zu müssen, würde etwas von diesem Sinn wieder herstellen. ALS ISOLIERTE IDEE WIRD DAS GRUNDEINKOMMEN DAGEGEN GEFÄHRLICH. Man bedenke, dass die FDP unter dem Aspekt der 'Vereinfachung' mit dem Bürgergeld hausieren geht, das immer mal wieder mit dem Grundeinkommen verwechselt wird, und das ja auch tatsächlich der 'rechten' Spielart dieser Idee entspricht: Eine Pauschale, und der Staat verabschiedet sich, den Rest regelt der heilige Markt. Auf diese Weise würde man noch verbliebene solidarische Strukturen verlieren und wäre mit dem Umfang des Grundeinkommens auf Gedeih und Verderb den jeweiligen und möglicherweise neoliberalen Mehrheitsverhältnissen ausgeliefert.

Die Kritik von Daniel Kreutz geht in diese Richtung und ist sehr ernst zu nehmen. Wer aus guten Motiven das BGE für ein 'Patentrezept' hält, könnte den Lohnabhängigen einen Bärendienst erweisen. Es wäre wichtig, zugleich mit dem Grundeinkommen auch Mindestlöhne zum Thema zu machen, auch flexible Arbeitszeiten, auch einen funktionierenden öffentlichen Dienst, solidarische Gesundeitsversorgung, staatliche Schulen und Universitäten. Ein Grundeinkommen vom Betrag XXX würde eben gerade keine Teilhabe ermöglichen, wenn die Universitäten privatisiert werden und das Gesundheitssystem auf horrende Pauschalbeträge umgestellt wird. Auch wenn eine Pointe des Grundeinkommens ist, sich keiner Bedürftigkeitsprüfung mehr aussetzen zu müssen, ist es wichtig, dass es neben einem Grundeinkommen auch bedarfsabhängige Leistungen gäbe. (Wohngeld, das den Mietspiegel berücksichtigt und die Tatsache, dass ein Gehbehinderter einen Aufzug braucht, etc.) Man sollte ohnehin nicht von Beträge reden, sondern von einem Grundeinkommen über dem Armutsniveau. Wie nun aber wird dieses definiert? 50 oder 60 % des mittleren Einkommens? Oder vielmehr über einen Warenkorb, den sich nicht leisten zu können Armut bedeutet? Wenn man mit 50% des mittleren Einkommens seine Kinder nicht studieren lassen könnte, wäre immer noch von Armut im Sinne von Partizipation und Chancen zu reden. Kurzum: Am Slogan von der 'großen Vereinfachung' ist nahezu alles falsch.

Wenn eine Bewegung für ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht auch zugleich eine 'linke' soziale Bewegung ist, wird sie am Ende, da könnte Kreutz recht haben, der Umverteilung von unten nach oben weiter Vorschub leisten. Wenn dagegen das Grundeinkommen getragen wird von Gruppen, die auch nach besseren Arbeitsbedingungen, gewerkschaftlicher Organisation, Mindestlöhnen, einem guten öffentlichen Sektor, der Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse streben, kann was Gutes daraus werden. Dann wären mittelfristig auch Arbeitnehmer dafür, auch Gewerkschaften. Den Pessimismus Kreutz', im BGE auf jeden Fall den falschen Weg zu sehen, teile ich nicht, die von ihm beschriebenen Gefahren sind aber real. Wir BGE-Anhänger reden zu recht vom Menschenbild. Wir reden aber zu wenig von Solidarität, von Gerechtigkeit, von Verteilungskämpfen, vom Kapital. Einige finden linkes Vokabular geradezu "bäh", denn sie sind sich zu wenig dessen bewusst, dass wir in einer Zeit sozialer Kämpfe leben, in der diejenigen, die mit einer sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich ganz zufrieden wären, die Oberhand behalten können. Was ist links, was ist recht, scheinen sie zu denken, wir sind post-links-rechts. Das klingt hübsch, ist aber Quatsch und sorgt dafür, dass viele der von der SPD angeschmierten Arbeitnehmer dieser völlig verlotterten Partei immer noch mehr trauen als der ihnen esoterisch vorkommenden BGE-Bewegung.

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen und vieles mehr als Ziel einer linken Sozialpolitik!

Mittwoch, 5. Mai 2010

Am nächsten Samstag, dem zweiten im Mai, ...

... treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren. Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrum Kreuzberg.

Beim Eingeben aller möglichen Angaben erzählte letzte Woche ein Mitarbeiter (oder "Kundenbetreuer"...) des Jobcenters Neukölln, dass er selbst lange Zeit auf der anderen Seite des Schreibtisches gesessen, für mehrere Zeitarbeitsfirmen gearbeitet hatte und Berlin schon verlassen wollte bis er den Job beim Jobcenter bekam. Was wollen also die Miesepeter, es gibt doch Arbeit! - in der Verwaltung der Arbeitslosigkeit.
Es sitzen sich also Arbeitslose und ihre Verwalter gegenüber. Ein freundlicher Verwalter macht das, was der Chef verlangt und bittet um Entschuldigung: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing; die Gesetze habe ich nicht gemacht, wenn es nach mir ginge... Den böswilligen Verwalter grämt die Langeweile seines Jobs; er missgönnt seinem Gegenüber den Müßiggang und findet Lust nur noch im Triezen: Sie sind arbeitslos, haben also Zeit, über die ich zu verfügen das Recht habe, schließlich essen Sie das Brot, das ich verwalte... Tauschen würde er aber nicht mit ihm wollen und daran zeigt sich die Unaufrichtigkeit seiner Missgunst: Erzwungener Müßiggang ist eben kein Müßiggang, sondern Langeweile. Wird dann noch das Recht auf respekt- und würdevolle Behandlung entzogen, so wird aus der Langeweile ein Elend. Dann doch lieber nur die Langeweile des Büros.

Eine riesige Maschinerie ist im Gange, die verwaltet die Arbeitslosigkeit. Millionen von Menschen funktionieren als Rädchen und sind unglücklich. Millionen von Menschen geben der Maschine ihr Leben, weil sie essen wollen und ein Dach über dem Kopf. Aber die Maschine funktioniert nur, sie hat keinen Sinn. Sie beschäftigt uns Menschen, sie ermüdet uns Menschen, sie erhält unser Leben, aber leben in ihr, das können wir nicht. Zerschlagen wir also die Maschine! Zerschlagen wir sie und geben uns einen Sinn.

Mittwoch, 7. April 2010

Demonspaziergang am Samstag, den 10. April '10

Wir treffen uns wie immer um 12 Uhr im Cafe Kotti am Kottbusser Tor, um ein Weilchen später für das bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Das Cafe Kotti befindet sich im ersten Stock des Zentrum Kreuzberg.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellte im Jahre 2001 eine Preisfrage: "Unter welchen Bedingungen sind soziale Gleichheit und politische Freiheit vereinbar?" Den Preis gewann ein Aufsatz von Christoph Spehr, "Gleicher als Andere - Eine Grundlegung der freien Kooperation". Darin schreibt er:
"Es ist von erheblicher Komik, dass Abgeordnete für sich in Anspruch nehmen, durch relativ hohe Gehälter ihre inhaltliche Unabhängigkeit zu wahren und sich nicht-erpressbar zu machen - dass die meisten dieser Abgeordneten es aber nicht für nötig halten, eine derartige Unabhängigkeit und Nicht-Erpressbarkeit auch für den Souverän, nämlich die Bevölkerung, zu gewährleisten. Was für Abgeordnete gilt, sollte auch für uns gelten. Nur die Garantie eines unabhängigen, qualitativ ausreichenden Existenzgeldes schafft für die Individuen die Voraussetzung, sich nicht um jeden Preis verkaufen zu müssen."

Ob wir es dann unseren würdigen Repräsentanten gleich tun und uns trotzdem verkaufen würden, weil wir nicht genug bekommen könnten, das wäre dann immerhin unsere freie, nicht durch Angst bestimmte Entscheidung...

Dienstag, 9. März 2010

Am Samstag, dem 13. März 2010

... demonspazieren wir wieder für das bedingungslose Grundeinkommen. Wir treffen uns um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor oder, wenn viele kommen, unterhalb des Cafes auf dem Platz. Das Kotti befindet sich im ersten Stock des Zentrums Kreuzberg.


Wir spazieren jeden Monat am zweiten Samstag mit Plakaten und Trillerpfeifen durch die Stadt und führen dabei Gespräche. Das Grundeinkommen wird von nicht wenigen diskutiert, die meisten aber kennen es entweder nicht oder sind dagegen oder sind in zu tiefer politischer Resignation versunken, um diese oder andere Ideen noch ernst zu nehmen. Es scheint uns daher richtig, solche Gespräche in kleinen Gruppen zu führen, um zur Verbreitung der Idee und der Überwindung einer politischen Stagnation beizutragen.

Und wenn es irgendwann genügend viele Anhänger der Idee gibt, werden sich diese auch in einer wirklichen und großen Demonstration zeigen können. (Es gibt eine Mailingliste, die zu einer Großdemonstration einladen wird, sobald sich 100000 eingetragen haben, jetzt sind es ungefähr 4000, aber wie man an den Bundestagspetitionen sieht, können es schnell mehr werden.)

Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen? Jeder hat ein bedingungloses Recht auf Leben, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung, das er hier nur mit einem Einkommen wahrnehmen kann. Dennoch wird jetzt ein Einkommen an Bedingungen geknüpft. Wer nicht von einer Lohnarbeit leben kann, erhält die staatliche Unterstützung nur dann in voller Höhe, wenn er die Vorschriften der Arbeitsagentur akzeptiert (Maßnahmen, 1-Euro-Jobs). Auch ist diese Unterstützung keineswegs auf eine volle "Teilhabe" der Empfänger am gesellschaftlichen Leben ausgelegt, sondern "soll" einen Bestrafungscharakter haben, denn ein jeder "soll" seinen Lebensunterhalt ja durch Arbeit verdienen, auch wenn es nicht genug Lohnarbeit für alle gibt.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird möglich, wenn sich viele zu diesem Zweck verbünden. Von selbst kommt es nicht. Von selbst geht es nämlich gerade mit den sozialen Rechten bergab. Von Menschenrechten ist viel die Rede, wenn Kriege gerechtfertigt werden sollen. Gleichzeitig wird den Arbeitslosen der schwarze Peter zugeschoben. Sie sind nicht etwa die Opfer eine wirtschaftlichen Entwicklung, sondern ein "Problem". Wenn man sie schon alimentiert, sollte man sie wenigstens zu Zwangsarbeit verwenden können. Das wird dann mal auf Leistungsgerechtigkeit (Westerwelle), mal auf Fürsorge frisiert (Kraft, SPD: auch die Arbeitslosen seien ja froh, wenn man sie für was Nützliches verwende). Jeder ist froh, etwas Nützliches zu tun, nicht aber, verwendet oder bloß beschäftigt zu werden. Entweder die gemeinnützigen Arbeiten sind wichtig genug, dass für sie anständig bezahlte öffentlich finanzierte Stellen geschaffen werden, oder sie sind es nicht, dann ist es Beschäftigungstherapie und hochmütig obendrein: Die armen Hascherl wissen ja nix mit sich anzufangen. Die BILD-Zeitung und die BZ verbreiten fröhlich das Bild vom üppig lebenden Hartz-IV-Schmarotzer, während gleichzeitig beschworen wird, "Leistung müsse sich wieder lohnen." In einem Land mit so viel Billiglöhnen und Zeitarbeitsagenturen lohnt sich Leistung aber nicht, auf der anderen Seite wurden Banker, die Werte vernichtet haben, im Widerspruch zu ihrer negativen Leistung äußerst gut bezahlt.

Genug von dem Leistungsgeschwätz! Das noch dazu von Leuten vorgebracht wird, denen die Menschheit wahrlich keine großen Leistungen verdankt. Erst kommt die Wanze und dann die Wanzenordnung. Ein Grundeinkommen ermöglicht Würde und aufrechten Gang, darüber hinaus gesellschaftliches Engagement. Dieses Wirtschaftssystem und dieser Staat verletzen jeden Tag Menschenrechte. Nicht dass irgendwer an der Abschaffung von Arbeitsplätzen verdient, ist der Skandal, sondern dass die auf diese Weise arbeitslos Gewordenen anschließend gedemütigt, kontrolliert oder zu Zwangsarbeit verdonnert werden.

Freitag, 29. Januar 2010

Am Samstag, dem 13. Februar 2010

... demonspazieren wir wieder für das bedingungslose Grundeinkommen. Wir treffen uns um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor oder, wenn viele kommen, unterhalb des Cafes auf dem Platz. Das Kotti befindet sich im ersten Stock des Zentrums Kreuzberg.


Wir spazieren jeden Monat am zweiten Samstag mit Plakaten und Trillerpfeifen durch die Stadt und führen dabei Gespräche. Das Grundeinkommen wird von nicht wenigen diskutiert, die meisten aber kennen es entweder nicht oder sind dagegen oder sind in zu tiefer politischer Resignation versunken, um diese oder andere Ideen noch ernst zu nehmen. Es scheint uns daher richtig, solche Gespräche in kleinen Gruppen zu führen, um zur Verbreitung der Idee und der Überwindung einer politischen Stagnation beizutragen.

Und wenn es irgendwann genügend viele Anhänger der Idee gibt, werden sich diese auch in einer wirklichen und großen Demonstration zeigen können. (Es gibt eine Mailingliste, die zu einer Großdemonstration einladen wird, sobald sich 100000 eingetragen haben.)

Warum ein bedinungsloses Grundeinkommen? Jeder hat ein bedingungloses Recht auf Leben, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung, das er hier nur mit einem Einkommen wahrnehmen kann. Dennoch wird jetzt ein Einkommen an Bedingungen geknüpft. Wer nicht von einer Lohnarbeit leben kann, erhält die staatliche Unterstützung nur dann in voller Höhe, wenn er die Vorschriften der Arbeitsagentur akzeptiert (Maßnahmen, 1-Euro-Jobs). Auch ist diese Unterstützung keineswegs auf eine volle "Teilhabe" der Empfänger am gesellschaftlichen Leben ausgelegt, sondern "soll" einen Bestrafungscharakter haben, denn ein jeder "soll" seinen Lebensunterhalt ja durch Arbeit verdienen, auch wenn es nicht genug Lohnarbeit für alle gibt.
Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen werden Rechte eingefordert, die das Grundgesetz und die europäische Menschenrechtserklärung uns zusichern.

Viel Lohnarbeit ging durch Rationalisierung verloren. Die Produktion ist gewachsen, mit ihr aber nicht die Nachfrage nach Arbeitskräften. Andererseits gibt es in vielen Bereichen wichtige Arbeit, die ehrenamtlich geleistet wird. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens läuft auf die teilweise Abkopplung von Arbeit und Einkommen hinaus. Das schließt aber eine Ausweitung des öffentlichen Dienstes, eine allmähliche Umwandlung vieler ehrenamtlicher Tätigkeiten in Lohnarbeit, eine gesetzliche Begünstigung von Teilzeitarbeit etc. nicht aus. Wir glauben nicht, dass das bedingungslose Grundeinkommen das Patentrezept ist, das alles übrige der marktwirtschaftlichen Selbstorganisation überlässt. (Manche Vertreter des bedingungslosen Grundeinkommens stellen sich so etwas vor.)

Manche der Grundrechte können besser direkt gewährleistet werden, etwa die Gesundheitsversorgung. Die gegenwärtig geplante Umstellung der Krankenkassenbeiträge auf Kopfpauschalen wird auf Dauer entweder die Gebühren für die Ärmeren erhöhen und deren Spielräume weiter beschneiden oder dazu führen, dass die gesetzlichen Krankenkassen für weniger Leistungen aufkommen. Beides sollte sich eine solidarische Gesellschaft nicht wünschen. Wenn man die Rechte auf Leben und Gesundheit ernst nimmt, wird man dagegen das System einer solidarischen Versicherung stärken. Dass im Gesundheitssektor emarktwirtschaftliche Strukturen keineswegs "Kosten senken", beweisen die USA.

Die Gesundheitsversorgung würde man also auf eine Liste schreiben, auf der die Güter stehen, die direkt und nicht über eine Grundeinkommen gewährleistet werden sollten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde zusammen mit solchen direkt gewährleisteten Rechten den Einzelnen eine Gestaltung des eigenen Lebens ohne überflüssige Angst ermöglichen. Jeder könnte sich für oder gegen eine bestimmte Arbeit entscheiden, zusammen mit anderen für andere Arbeitsbedingungen streiten, sich ehrenamtlich oder politisch betätigen, ohne fürchten zu müssen, dafür bestraft zu werden. Gerade eine sich demokratisch verstehende Gesellschaft sollte sich soviel Freiheit wünschen. Ja, es geht bei gesellschaftlicher Solidarität auch um Freiheit, denn die Freiheit des Einzelnen hat Bedingungen, die über bloße Schutzrechte hinausgehen. Wir haben bei unseren Demospaziergängen auch schon 'Liberale' getroffen, die nur Schutzrechte, aber keinerlei soziale Rechte akzeptieren, nach Art Robert Nozicks. Die Funktion des Staates wäre demnach der polizeiliche Schutz des Eigentums und des Lebens, und basta. In solchem 'Liberalismus' wird von den Bedingungen konkreter Freiheit schon gar nichts mehr verstanden. Freiheit braucht Solidarität.

Wir rennen mit solchen Ideen keine offenen Türen ein. Gerade jetzt wird diskutiert, die Sanktionen für Hartz IV-Empfänger zu verschärfen und Arbeitszwang einzuführen (etwa jüngst Roland Koch in einem Artikel in der FAZ. Koch befürwortet schon länger "workfare", siehe auch hier über den Zusammenhang des "workfare"-Konzepts mit der Entmündigung von Armen in "Arbeitshäusern" ). Dahinter steht die Doktrin, Grund für Arbeitslosigkeit oder Armut sei allemal persönliches Versagen. Viele würden es sich mit wenigen Stunden Arbeit für ein paar Hundert Euro und Aufstockungs-Hartz-IV einrichten, so eine der Thesen Kochs. Er weiß aber, muss wissen, dass mit 5 Euro Stundenlohn 400 Euro einer halben Stelle entsprechen. Wer mit einer halben Stelle Hartz IV bekommt, wäre mit einer vollen Stelle immer noch arm. Die groteske Ungleichheit der Löhne rechtfertigt Koch durch Bildung oder Qualifikation. Wo aber auf einem Planeten, der Fähigkeiten gerecht zu bewerten wüsste, Roland Koch stünde, sei dahingestellt. Immer wieder hören wir auch bei unsere Spaziergängen den Quatsch, es komme nur auf Bildung und Qualifikation an. Aber selbst wenn alle Doktoren wären, gäbe es das am wenigsten qualifizierte Drittel der Doktoren, und die müssten dann für wenig Geld die Klos putzen. Es poltern nicht alle wie Koch, im Gegenteil, man antwortet ihm mit unverbindlichen Bekundungen sozialer Natur. Dennoch ist zu fürchten, dass die 'Reform der Reform' mehr Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger bedeuten wird. Denn weit über die FDP hinaus ist der Irrglaube, es sei allein das Individuum für seine Lage verantwortlich, verbreitet - und damit auch eine Abneigung gegen jede Art von Umverteilung. Die 'Reform' unseres Gesundheitswesens kann ein weiterer Schritt zu einer Privatisierung werden, wieder auf Kosten der Armen. Und so etwas wird die Schwelle für ein wirklich befreiendes Grundeinkommen weiter erhöhen. Es gibt, von Sonntagsreden abgesehen, keinen Konsens über die Würde des Menschen. Es wird Zeit, dass sich wieder ein kämpferischer Geist verbreitet, sonst wird es nicht nur kein Grundeinkommen, sondern immer Schlimmeres für die Ärmsten geben.

Freitag, 15. Januar 2010

Arbeitshaus und Hartz IV

Ein Kommentator, der sich "BWL-Student" nennt, hat sich auf meinen letzten Post mit einer These zu Wort gemeldet, die zwar falsch ist, aber erschreckend viele Anhänger hat:

Wer keine Arbeit hat, sei faul, versoffen oder anderweitig lasterhaft. Man solle "solche Leute" nicht unterstützen (oder nur auf dem Niveau, sie nicht verhungern zu lassen), dann suchten sie sich auch Arbeit. Der Staat spare Geld, die "Leistungsträger" verdienten mehr, es gebe mehr Arbeit. Daran ist so ziemlich alles falsch, aber es nicken nicht wenige, die sich für Leistungsträger halten, selbst wenn sie etwa durch ihr Investment-Banking Arbeitsplätze zerstört haben. (Ich meine damit nicht nur, dass die These unsittlich sind, sondern vor allem, dass sie faktisch falsch ist, sowohl was die Volkswirtschaft betrifft, als auch, was die Beschreibung der Menschen angeht. Für unsittlich halte ich sie im übrigen auch.) Bei unseren Demospaziergängen werden wir mit allen möglichen Varianten dieser These konfrontiert.

Die eigentliche Schande ist, dass es anscheinend keine Schande ist, derlei zu sagen. Das Vokabular ist meist so gewählt, dass es positiv klingt: "Leistungsträger", "Aktivieren", etc. Man kann in der "Mitte der Gesellschaft" dafür plädieren, die Menschenwürde mit Füßen zu treten, allein man darf es nicht so nennen.

Wer so denkt, lehnt ein bedingungsloses Grundeinkommen selbstverständlich ab und findet Hartz IV noch zu großzügig. Ja, kann man denn wirklich so denken?, frage ich mich immer wieder, einigermaßen fassungslos. Ich hätte ein solches Menschenbild für überwunden und einen solchen 'Marktliberalismus', der auch die Menschen als bloße Waren betrachtet, für widerlegt gehalten. Nichts aber ist je endgültig widerlegt. Mir fiel etwa die Ähnlichkeit zwischen Arbeitshäusern und modernen Konzepten ("workfare", "Fördern und Fordern") auf: Wer mag, kann das hier (Link) nachlesen. Es kann nichts schaden, zu wissen, wie die Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens klingen. Das vergisst man nämlich leicht, wenn man vor allem mit dessen Befürwortern spricht.

Montag, 11. Januar 2010

Bericht & Materialien

Im Schneegestöber, am Samstag dem 9. 1. 2010, hielten wir es nur eine Stunde aus. Unsere Gesprächspartner hatten es noch eiliger, zum warmen Ofen zurückzukehren. Einige Gespräche gab es immerhin, wenn auch zum Teil bizarre. Eine alte Frau wünschte sich, "dass der Hitler wiederkäme", um uns Vollbeschäftigung und Sicherheit zu bringen. Ob sie denn auch Krieg, Massenmord und Rassismus wolle? Nein, ohne das, aber mit Hitler. Sie meint also gar nicht den wirklichen Hitler. Einer von uns hielt das Gespräch mit dieser Frau für sinnlos, mir aber scheint es richtig, mit jedem zu reden und dieses Urteil erst nach dem Gespräch zu fällen. Da sie noch am Leben ist, kann sie ihre Meinung ändern und statt einer rechtsextremen Partei etwa eine wählen, die die Würde aller Menschen ernst nimmt und dazu ein Grundeinkommen für geeignet ansieht. Nur, dass es diese Partei nicht gibt.

Ansonsten auch wieder positive oder wenigstens neugierige Reaktionen.

Aber, wie gesagt, insgesamt mehr ein Schneetag als ein Schwatztag. Eilig an uns vorbeihuschend sagte eine junge Frau "Ich studiere BWL. Mich kriegt ihr mit sowas nicht." Kriegen? Mit sowas? Wollten wir etwa sozialistische Waschmaschinen loswerden? Ohne Schnee hätten wir noch etwas einwenden können, aber sie war im Nu in weißlichen Wirbeln verschwunden.

Morgen, am Dienstag den 11. Januar, um 20 Uhr, sitzen einige von uns im Cafe Kotti (vom Kottbusser Tor Richtung Adalbertstraße blickend, sieht man das Cafe links im ersten Stock des 'Zentrum Kreuzberg' genannten Betonriegels, der der die Adalbertsraße überspannt.) Wenn also etwa eine oder einer von denen, mit denen wir gesprochen haben, über das Grundeinkommen und anderes reden möchte: Das wäre eine Gelegenheit.


Im Anhang die Flugblätter, die wir verteilen:

------------------------------------ Das lange Flugblatt:

GRUNDEINKOMMEN FÜR ALLE

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen?

Die Arbeitsproduktivität in Landwirtschaft und Industrie ist im vergangenen Jahrhundert enorm gestiegen und steigt noch immer. Nur ein Bruchteil der menschlichen Arbeitszeit versorgt bereits alle Menschen mit Gütern. Die moralische Verpflichtung, durch die eigene Arbeit einen Beitrag zur Güterproduktion zu leisten, hatte in Zeiten des Mangels einen Sinn. Jetzt aber haben die Maschinen diesen Mangel in vielen Bereichen überwunden. Ein Landwirt in einem Industrieland vesorgt Hunderte von Menschen mit Nahrungsmitteln. Immer mehr Menschen arbeiten in Dienstleistungsberufen, die nicht so leicht einer Rationalisierung zum Opfer fallen. Aber es gibt auch nicht genügend viele bezahlte Dienstleistungen. Vollbeschäftigung ist in Industriegesellschaften die Ausnahme, nicht die Regel. Wenn Politiker Vollbeschäftigung in Aussicht stellen, so meinen sie, wenn sie überhaupt etwas damit meinen, jedenfalls keine reguläre, anständig bezahlte Arbeit.

Ob man nun die durch Rationalisierung verlorengegangenen Arbeitsplätze beklagt oder nicht, sie bleiben verschwunden, und es ist widersinnig, einem, der keiner Erwerbsarbeit nachgeht, dies zu Vorwurf zu machen, wenn seine Erwerbsarbeit nicht gebraucht, er aber durchaus gebraucht wird als Freund seiner Freunde, Erzieher seiner Kinder, politisch bewusster Bürger, der nicht bloß Stimmvieh sein will, und die Zeitung liest, um etwas zu verstehen. Viele sinnvolle Tätigkeiten taugen derzeit nicht zur Erwerbsarbeit, etwa armen Rentnern etwas vorzulesen. Viele, auch Arbeitslose, tun so etwas freiwillig und unentgeltlich. Wer Hartz IV empfängt, darf allerdings auch nicht mehr als eine gewisse Zahl von Stunden ehrenamtlich arbeiten, da er ja sonst dem Arbeitsmarkt, der ihn nicht will, nicht genügend zur Verfügung stünde.

Und der Müßiggang selbst ist natürlich auch kein Laster, wenn die Maschinen den Menschen geholfen haben, den Mangel zu überwinden. Und ebensowenig wäre er für einen freien Menschen der Laster Anfang. Wer aber jetzt arbeitslos wird, fühlt sich gar selbst minderwertig. Die Menschheit hat sich durch Erfindungen immer mehr vom Joch der Arbeit befreit und kann nun nichts damit anfangen. In einer Art Alterstarrsinn bleibt sie sinnlos gewordenen Werten verhaftet.

Fordern und Fördern?

Diese flotte Formulierung, mit der sich Hartz IV vermarktet, ist für die Arbeitslosen mit zahllosen Demütigungen verbunden, Datenerhebungen, Auflagen, Sanktionen, Maßnahmen. Du hast keine Arbeit, also dürfen wir dich als Unmündigen behandeln. Der jetzt beklatschte Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt hat vor allem Menschen in Billiglohn gebracht. Mit viel Arbeit und wenig Entfaltungsmöglichkeiten sehen sie dann der Altersarmut entgegen.

Jeder hat ein würdiges Leben verdient, und muss es sich nicht erst verdienen. Auch der Nichtsnutz verdient ein würdiges Leben, weil eben keiner Mangel leidet, wenn einige nichts Produktives tun. Was für ein grauenhaftes Menschenbild muss man haben, um zu denken, dass der Mensch nur unter dem Druck der Existenzangst etwas tut? Das Misstrauen aber schafft seine Gründe: Eigene Ideen ersticken in Demütigungen, am Ende erzieht sich ein System, das niemandem traut, bockige Menschen, denen es nicht trauen kann.

Ging es beim Arbeitslosengeld nicht auch darum, dem Arbeitenden die Angst vor der Macht des Arbeitgebers, ihn in die Arbeitslosigkeit abstürzen zu lassen, zu nehmen? Die Angst macht ihn aus einem freien Menschen zu einer Ware, deren Preis andere bestimmen. Erst der Arbeiter, der keine Angst hat, kann seinen Preis verhandeln. Erst dann gibt es überhaupt einen Arbeitsmarkt.
Mit freier Verhandlungsmacht würden nicht wenige halbe Stellen ganzen vorziehen. Einige sind arbeitslos, die übrigen arbeiten häufig mehr, als ihnen gut tut. In den letzten Jahren gab es in Deutschland eine Rekordzahl an psychischen Erkrankungen und die niedrigste Zahl von Krankschreibungen seit Einführung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (1970).


Die nehmen uns den Arbeitsplatz weg

Die produktive Arbeit wird weniger durch steigende Produktivität. Das gilt nicht nur für ein Land, sondern für die Welt. Wir sind unfähig, das als Gewinn zu sehen, und erheben Arbeitsplätze, auch schlechte, zum Wert an sich. Also versuchen es alle Staaten in Zeiten des Waren-Freihandels mit Arbeitsmarktprotektionismus. Flüchtlinge werden oft zwar geduldet, erhalten aber keine Arbeitserlaubnis. Polen wird zwar in die EU aufgenommen, unser Arbeitsmarkt bleibt den Polen aber fürs erste verschlossen. Der einzelne Angestellte oder Arbeitslose schaut die unerwünschten Konkurrenten scheel an. Solange die Arbeitslosigkeit die heutige Bedeutung hat, ist es ihm nicht ganz zu verdenken, aber das muss alles nicht so sein, weder die Angst noch die daraus geborene Missgunst ist nötig. In Wahrheit ist es doch falsch, dass lauter Abhängige sich gegeneinander richten, statt die Bedingungen ihrer Abhängigkeit zu verbessern.

Ich habe mir schließlich auch alles selbst erarbeitet

Aha, und die Maschinen erfunden und gebaut, an denen Sie arbeiten; die Lehrer ausgebildet, von denen Sie gelernt haben; das Brot gebacken, mit dem Sie groß geworden sind, und das Getreide angebaut, aus dem es gebacken wurde? Jeder verdankt anderen viel, keiner hat sich seit den Tagen der Subsistenzwirtschaft alles selbst erarbeitet. Durch eigene Arbeit kauft sich niemand frei von den Schulden, die er bei anderen, Lebenden und Toten hat. Und umgekehrt verwirkt auch der, der nicht für Geld arbeitet, keineswegs den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben. Beide sind Schuldner, und beide haben Rechte.

Aus der Fabel von der Ameise und der Grille können wir nichts mehr lernen.


WAS ALSO TUN? NACHDENKEN.

Wir denken auch drüber nach und sehen uns nach Ideen um, die helfen könnten. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle wird derzeit unter anderem in Netzwerk Grundeinkommen (http://www.grundeinkommen.de), von verschiedenen Bürgerinitiativen und von dem Unternehmer Götz Werner diskutiert (http://www.unternimm-die-zukunft.de/). Statt einer Beihilfe, die man sich unter Auflagen erbetteln muss, erhielte jeder, ob reich oder arm, eine Grundsicherung, die am mittleren Einkommen orientiert wäre und über der Armutsgrenze läge. In Werners Konzept würde dieses Grundeinkommen durch Konsumsteuern finanziert. Niemand kann ganz absehen, wie ein solches Grundeinkommen funktionieren würde. Es käme auf einen Versuch an. „Keine Experimente“ ist ein schlechter Rat, wenn sich die Welt verändert.


Was wir möchten... (http://www.samstags-demonstration.blogspot.com/)
Wir wollen an jedem zweiten Samstag im Monat eine kleine und vielleicht allmählich größere Demonstration in Berlin durchführen.

An einer Samstagsdemonstration können nicht nur Arbeitslose teilnehmen.

Viele, die zuviel unter schlechten Bedingungen für wenig Lohn arbeiten und vor der Arbeitslosigkeit Angst haben, sind nicht glücklich.

Viele Arbeitslose, die sich schikanieren lassen müssen, sind unglücklich.

Flüchtlinge in Dauerduldung oder Abschiebegefängnissen sind unglücklich.

Wir glauben, dass es besser ist, diese Formen des Unglücks nicht für unvermeidlich zu halten. Gesetze lassen sich ändern, wenn sich die Gesellschaft bewegt.


Bertrand Russell (1932, „In Praise of Idleness“)

Hier wird die Moral des Sklavenstaates unter Umständen angewendet, die so ganz anders sind als die, unter denen sie entstanden ist. Kein Wunder, mit furchtbaren Ergebnissen.. Lassen Sie uns ein illustrierendes Beispiel betrachten: Nehmen wir an, dass zu einem gewissen Zeitpunkt eine gewisse Zahl von Leuten damit beschäftigt ist, Nägel herzustellen. Sie stellen mit acht Stunden täglicher Arbeit alle Nägel her, die die Welt braucht. Jemand macht eine Erfindung, mit deren Hilfe dieselbe Zahl von Arbeitern doppelt so viele Nägel herstellen kann. Nägel sind aber bereits so billig, dass auch für einen niedrigeren Preis kaum mehr davon vekäuflich sind. In einer vernünftigen Welt, würde jeder, der mit der Herstellung von Nägeln befasst ist, nur noch vier anstelle von acht Stunden arbeiten, und sonst bliebe alles beim Alten. In unserer Welt arbeiten die Leute weiter acht Stunden, es gibt zu viele Nägel, einige Arbeitgeber gehen bankrott, und die Hälfte der Leute, die bisher Nägel hergestellt haben, wird entlassen. Am Ende gibt es gerade so viel Müßiggang wie im anderen Schema, nur ist die Hälfte der Leute müßig, die andere Hälfte immer noch überarbeitet. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass der unvermeidliche Müßiggang überall Unglück hervorbringt statt eine Quelle des Glücks zu sein. Kann man sich etwas Verrückteres vorstellen?

--------------------------------- Das kurze Flugblatt:


BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN

Jeder hat ein bedingungsloses Recht auf Leben, Nahrung, Wohnung und Bildung. Für die Wahrnehmung dieser Rechte benötigt hier jeder ein Einkommen. Der Anspruch auf ein Grundeinkommen wird durch den Sozialstaat im Prinzip anerkannt, aber im Rahmen von Hartz IV an demütigende Bedingungen der Kontrolle und des Zwangs geknüpft. Je unzumutbarer diese Bedingungen sind, desto mehr Menschen geben sich notgedrungen mit schlecht bezahlten Jobs unter schlechten Bedingungen zufrieden. Unter den Arbeitslosen und unter den schlecht Arbeitenden werden viele krank und traurig.

Wir schlagen ein bedingungsloses Grundeinkommen über der Armutsschwelle vor, das jeder erhält, ob er nun Arbeit hat oder nicht. Ein solches Grundeinkommen wäre durch Steuern finanzierbar, durch Konsumsteuern oder auch durch andere (das wurde nachgerechnet).
Es gäbe keine „Bedürftigkeitsprüfung“, keine „Wiedereingliederungs-vereinbarung“ mehr, es wäre keine demütigende Notversorgung, sondern die Wahrnehmung eines Grundrechts.


Ja, wer wird denn dann noch arbeiten? Wer gerne arbeitet; wer Sinn in seiner Arbeit sieht; wer gut bezahlt wird; wer sowieso schon unbezahlt ehrenamtlich arbeitet, seine Kinder erzieht, anderen hilft. Und das sind wahrscheinlich die meisten. In Umfragen sagen die meisten von sich, sie würden auch mit einem Grundeinkommen arbeiten. Die meisten nehmen aber zugleich an, die anderen seien faul. Nur wenige glauben, sie müssten gegängelt und bevormundet werden. Warum wagen wir denn nicht den Schritt in ein System, in dem auch die anderen nicht gegängelt und bevormundet werden?

Arbeit und Einkommen werden durch diese Idee teilweise entkoppelt. Eine immer produktivere Wirtschaft hat viele Arbeitsplätze wegrationalisiert. Es ist unter den gegenwärtigen Bedingungen sehr schlimm, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Auch mit einem Grundeinkommen kann es schlimm sein, die Arbeit und die Kollegen und den Lohn zu verlieren, aber es wäre kein so bodenloser Absturz wie jetzt. Man könnte Stolz und Eigeninitative behalten. Es wäre dann auch möglich, in der wachsenden Produktivität eine Befreiung der Menschen für anderes zu sehen.

Das Grundeinkommen ist nicht die Antwort auf alle sozialen Fragen, sondern ein neuer Anfang. Wir spazieren schon seit zwei Jahren einmal monatlich durch die Stadt und reden mit Leuten über diese Idee. Dabei haben wir bemerkt, dass die meisten, denen es schlecht geht, nichts mehr hoffen, sich nicht politisch engagieren, nicht mehr auf Solidarität bauen. Manche schieben auch die Schuld auf „die Ausländer“, die doch im selben Boot sitzen und gerade so betroffen sind. Die Angst derer, die Arbeit haben, und die Demütigung derer, die keine haben, verhindern Solidarität. Wir wagen zu hoffen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen mehr aufrechten Gang, mehr Solidarität, mehr politisches Engagement und mehr Zuversicht ermöglicht.

In den letzten zwanzig Jahren ist dieses Land reicher geworden, hat aber mehr Arme hervorgebracht. Finden wir uns nicht ab mit dieser Tristesse!

Wer sind wir? Wir sind keine Partei, sondern einige Freunde, die seit zwei Jahren einmal monatlich einen „Demo-Spaziergang“ veranstalten. An jedem zweiten Samstag im Monat treffen wir uns dazu gegen 12 Uhr im Cafe Kotti am Kottbusser Tor (im ersten Stock, links von der Durchfahrt der Adalbertstraße durch den Betonriegel 'Zentrum Kreuzberg'.) Jeweils am Dienstag nach der Demonstration treffen wir uns nochmal um 20 Uhr im Cafe Kotti, um über das Grundeinkommen & anderes zu reden. (Und anderes! Man kann nämlich nicht über das Grundeinkommen nachdenken, ohne sich alle möglichen politischen und gesellschaftlichen Fragen zu stellen. Nicht einfach alles als gegeben hinzunehmen ist ein guter Anfang.)





Kontakt:
http://www.samstags-demonstration.blogspot.com

Dort finden sich auch Links auf weitere Gruppen, die sich mit dem Grundeinkommen befassen.