Donnerstag, 30. April 2009

Am Tag nach dem Tag der Arbeit...

... werden wir wieder für das bedingungslose Grundeinkommen, ganz brav, auf den Bürgersteig gehen. Wir treffen uns wie immer um 12 Uhr im Café Jenseits am Heinrichplatz in Kreuzberg.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist weniger Ziel als Anfang.

Nachtrag und Antwort auf einen Kommentar: Danke für den Hinweis!
Es gibt am selben Tag eine Demonstration (13 Uhr ab Senefelder Platz), die unter anderem auch das bedingungslose Grundeinkommen fordert. Vielleicht werden wir's so einrichten, dass wir die treffen. Unser Spazieren-Diskutieren ist allerdings etwas ganz anderes als eine Großkundgebung, und wir hoffen, dass beides, auf jeweils andere Art, etwas dazu beitragen kann, so ein Grundeinkommen zu verwirklichen.

Mittwoch, 1. April 2009

Am ersten Samstag in diesem April...

... also am 04.04.09 wird wieder demonspaziert. Wir treffen uns wie immer um 12 Uhr im Café Jenseits am Heinrichplatz in Kreuzberg. Wer mag, schließe sich uns an. Die Kälte ist dabei, sich zu verziehen.

Im März waren wir auf der Hermannstraße, dann auf der Flughafenstraße, schließlich auf der Karl-Marx-Straße unterwegs, also im berühmt-berüchtigten Berlin-Neukölln. Dort haben wir nicht wenige Leute getroffen, die ein Grundeinkommen wohl gut gebrauchen könnten. Trotzdem waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Während zwei Frauen, die viele Kinder großgezogen haben, die Idee des Grundeinkommens unbedingt
befürworteten, zeigte uns eine andere Frau, die lange auf unsere Plakate gestarrt hatte ("Grundeinkommen statt demütigender Notversorgung") den Vogel.
Die zwei Frauen erzählten, wie sich die eine als Putzkraft verdingte, und dabei nicht mehr verdiente als den Hartz IV - Satz, daher jetzt Hartz IV beantragte; wie die andere von einem Ein-Euro-Job in den nächsten geschoben wurde und wird, wie das Geld ständig knapp ist, wie sie sich ein Buch für die Tochter vom Mund absparte, wie der staatliche Zwang zur Arbeit dazu führte, dass sie ihre Kinder, als sie noch klein waren, alleine zu Hause lassen musste - mangels Betreuungsangebote von Seiten eben desselben Staates. Die zwei Frauen erzählten, wie eine Nachbarin, 55-jährig und zuckerkrank, trotz ihrer Krankheit in immer neue Maßnahmen des Jobcenters gesteckt werde, bei denen sie dann einschlafe. Hartz IV, sagten sie, sei kein Gesetz, das zeige schon sein Name, Hartz IV sei eine Strafe. Sie erzählten, dass sie auf dem Amt begrüßt würden mit "Sie - unterschreiben – müssen – hier", obwohl sie fließend deutsch sprechen. Sie erzählten, dass ihre Kinder alles täten, um niemals zu irgendeinem Amt gehen zu müssen, wie sie die Bürokratie und deren zahllose Formulare verabscheuten, dass sie deshalb dermaßen leistungsorientiert und zielstrebig lebten und lernten, dass es ihnen, ihren Müttern, schon unheimlich sei. Die zwei Frauen sagten, dass ihnen ihr Leben hier keine Freude mehr bringt, sie deshalb lieber zurück in den Libanon wollten, einzig von ihren Kindern hier gehalten würden. Trotz alledem waren sie kämpferisch: "Wir sollten alle auf die Straße gehen, ohne Anmeldung, ohne Polizei, raus aus den Häusern!"
Einige Schritte weiter trafen wir auf einen Herrn, der auf unserem Flugblatt las "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen?" und kommentierte "Find' ich gut!" Unsere Gegenargumente machten ihn nur wütender, bis er sich empört abwandte. Auch der Ultima-Ratio-Hinweis auf Leute, die schuldlos nach 30 Jahren Erwerbsarbeit arbeitslos würden, hatte ihn nicht nachdenklich gemacht. "Pech gehabt!", sagte er nur.
So ging es weiter auf und ab. Ein Zyniker, der offen zugab, dass er Steuern hinterziehe ("Die Großen machen das doch auch") und soziale Ideen grundsätzlich abzulehnen schien ("Jeder ist sich selbst der Nächste"), wollte am Ende doch ein Flugblatt mitnehmen. Ein junges Mädchen russischer Herkunft meinte, in der UDSSR habe das Sozialsystem gut funktioniert, die Deutschen seien aber für so etwas zu egoistisch. Ein gerade verrentetes Ehepaar fand die Idee, obwohl sie erstmals davon hörten, vorbehaltlos gut, schimpften auf Merkel und die ungleiche Einkommensverteilung. Sie konnten sich noch gut an ihre eigenen Erfahrungen mit Hartz IV erinnern.

Worum geht es beim Grundeinkommen? Einzig um einen bestimmten Betrag Geld pro Monat? Das sicher nicht. Das bedingungslose Grundeinkommen stellt das "Recht auf Leben" auf eine tatsächliche, materielle Grundlage: Es geht um die Überwindung von Armut, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Es geht um Selbstbestimmung und wirkliche, partizipative Demokratie. Es geht um die Wiederauferstehung von Soldarität, weit über nationales Denken hinweg. Deswegen darf das Grundeinkommen auch nicht an die Staatsbürgerschaft geknüpft werden, sondern muss vom Wohnsitz abhängen: Armut ist relativ zum Ort, an dem man lebt, nicht zum Ort, an dem der Pass ausgestellt wird. Das heißt jeder, der in diesem Land lebt, muss das Recht auf dasselbe Grundeinkommen haben, ob z.B. deutscher Staatsbürger oder Flüchtling. Das Ziel kann keine Zweiklassengesellschaft sein: die mit und die ohne Grundeinkommen.