Freitag, 10. Dezember 2010

Und wieder demonspazieren wir am Samstag, den 11. Dezember 2010,

auch wenn die Ankündigung hiermit recht spät und sehr knapp erfolgt.

Das bedingungslose Grundeinkommen auf einem Niveau, das die Freiheit ermöglicht, eine Lohnarbeit zu wählen oder abzulehnen, oder auch eine unbezahlte Tätigkeit auszuüben, wäre gerade kein genereller "Kombilohn", wie manche fürchten, sondern die Überwindung der Zumutung, sich selbst als Ware zu dem Preis, denn man eben kriegt, feilbieten zu müssen. Wir wollen nicht mit Zahlen um uns wefen, sondern die Höhe eines solchen unbedingten Grundeinkommens inhaltlich bestimmten: Es muss anständige Ernährung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Das ist kein Minimalwarenkorb zur Lebenserhaltung, sondern einer, der die Entscheidung gegen eine Lohnarbeit ohne Verlust an Würde ermöglicht.

Es ist bekannt, was in Polemiken darüber gesagt wird:
Verwöhnte Wohlstandskinder, schauen Sie doch mal nach Ghana, Arbeit ist zumutbar, etc.
Derlei Reden verkleistern aber den Umstand, dass Lohnarbeit oft nicht nur schlecht bezahlt und unter schlechten Bedingungen geleistet wird, sondern mitunter schlechten Zielen dient. Eine Arbeit bei einem Waffenhändler oder bei einer Werbeagentur, die Automobile vom Gewicht und Energieverbrauch eines Panzers als 'cool' darstellt, ist allemal schlechter als Gammeln. (...das Böse, was man lässt...)

Wer in einem Rechtststaat auf körperliche Unversehrtheit pocht, kriegt doch auch nicht zu hören:
Schauen se doch mal zum Kongo, verwöhntes Wohlstandskind.
Das bürgerliche Reden über Rechte kennt eben solche und solche. Der Bürger möchte Wohlstand und Gesundheit gewahrt wissen, die Armut der anderen ist aber in Ordnung. Eine jüngst vom Soziologen Wilhelm Heitmeyer veröffentlichte Stude bestätigt leider, dass diese Sicht im Fünftel mit den höchsten Einkommen inzwischen am verbreitetsten ist. Viele werden sich folglich mit Zähnen und Klauen wehren, wenn ein steuerlich finanziertes bedingungsloses Grundeinkommen der oben skizzierten Höhe kommt. So war das vermutlich auch, als der moderne Rechtsstaat die Macht kleiner Grundherren brach, ihre Hintersassen zu (er)schlagen. Und wenn es dazu kommt, dass die Gegner des Grundeinkommens zu wenige wären, um die vielen, die dafür wären, zu bremsen, so wäre das Weltbild der Verlierer ("Die solle was schaffe, Faulenzer, sonst gibt's kaan Pfennisch.") bald schon so rückständig und peinlich wie nach 1805 die Vorliebe gewisser preußischer Junker für die Leibeigenschaft.

Mittwoch, 10. November 2010

Am Samstag, dem 13. November 2010,

... treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (jenes Betonriegels, der die Adalbertstraße überspannt.)

Der letzten Ankündigung ist nichts hinzuzufügen. Susanne Wiests Anhörung im Bundestag ist erfreulich, aber es ist noch ein weiter Weg. Zu viele, ja die meisten, lassen sich gegen die anderen, die ein Grundeinkommen bekämen, aufhetzen. Niedrige Hartz-IV-Sätze werden Niedrigverdienern schmackhaft gemacht, die Einheimischen werden gegen die Einwanderer aufgehetzt, die 'Gebildeten' gegen die 'Ungebildeten', die mit wenigen Kindern gegen die mit vielen. Bettelarme Personen haben wir bei unseren Demospaziergängen schon gegen das Grundeinkommen wettern gehört, weil es dann schließlich auch der Nachbar bekäme, der faule Sack. Gleichzeitig wird eine große Nebelmaschine mit Namen "Aufschwung" angeworfen, die auch Vollbeschäftigung in Aussicht stellt. Dass es häufig Arbeit zu schlechten Bedingungen und noch schlechteren Löhnen ist, wird dabei verschwiegen. Von Freiheit und Glück ist nicht die Rede. Alles Reden von Freiheit scheint auf das Recht zu kaufen und zu verkaufen geschrumpft. Und wer nur die eigene Haut zu verkaufen hat, der ist denkbar unfrei, mon cul.

Und es lässt sich doch hoffen, dass sich viele damit nicht abfinden werden. Für ein bedingungsloses Einkommen!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Am Samstag, dem 16 Oktober...

Achtung: Es handelt sich ausnahmsweise um den dritten Samstag, nicht um den zweiten!


.. treffen wir uns wieder um 12 Uhr im Café Kotti am Kottbusser Tor, um für das bedingungslose Grundeinkommen zu demonspazieren (spazierend mit Passanten zu reden). Das Café Kotti befindet sich in der ersten Etage des Zentrums Kreuzberg (jenes Betonriegels, der die Adalbertstraße überspannt.)

Geben wir's zu: Es hat schon mal rosiger ausgesehen für die Chancen, das bedingungslose Grundeinkommen zu verwirklichen. Weder von der Regierung, noch von SPD und Grünen ist derzeit etwas anderes zu erwarten als "Weitermachen!". Die Antwort auf die Arbeitslosigkeit ist das Nebeneinander von Billiglohn und einer Versorgung durch Hartz IV, die weh tun soll. So wird denn ein Billiglohn für den Einzelnen akzeptabel, auch wenn er es gesellschaftlich nicht sein sollte. Und wenn dann die neuen Hartz IV Sätze sich am empirischen Verbrauch auch der Billiglohnempfänger orientieren, wird an die Spaltbarkeit noch der ärmsten Schichten appelliert: Frau von der Leyen wiederholte überall, wo man ihr Gelegenheit dazu gab, ihre Sätze von denen, "die sich ihre kleinen Einkommen selbst erarbeiten" und die schließlich mehr haben müssten als die Arbeitslosen. - Vielleicht gelingt die Spaltung ja und mancher 'arbeitende' Hungerleider neidet seinem arbeitslosen Genossen jeden Cent. Umgekehrt sind aber die kleinen Löhne zu klein, und durch zu kleine Löhne zu kleine oder besonders schikanöse Beihilfe zu begründen, ist recht dreist. So gut wie nirgends aber wurde diese Dreistigkeit aufgedeckt, über scheinkritische Fragen à la Anne Will ging's nicht hinaus.

Und gleichzeitig zieht sich die Verheißung einer 'Vollbeschäftigung' durch gewerkschaftliche und sozialdemokratische Reden, auch hier ohne jede Erwähnung, dass nicht wenige Anstellungsverhältnisse bereits jetzt sittenwidrig sind und nicht als 'Beschäftigung!' bejubelt werden sollten.

Die Forderung nach einem Mindestlohn, die seitens der Gewerkschaften erhoben wird, ist allerdings nicht so schlecht, wie viele Anhänger des Grundeinkommens glauben. Ausbeutungslöhne sollte es mit oder ohne Grundeinkommen nicht geben. Wenn ein Grundeinkommen als Subvention für billigste Löhne erschiene, wären Linke mit Recht dagegen. Leider aber bleiben die Gewerkschaften bei dieser Idee stehen, sie haben den Arbeitslosen und denen, die von diversen Maßnahmen betroffen sind, nichts zu sagen.

Menschen mit einem Grundeinkommen könnten sich aber auch Mindestlöhne und bessere Tarifverträge erstreiten. Jetzt herrscht doch die Angst, Arbeitskämpfe gibt's nur noch bei den ohnehin besser Bezahlten. Heute erzählte mir ein Gebäudereiniger, dass in den großen Firmen seiner Branche kaum jemand nach der 'Probezeit' von 6 Monaten behalten wird, um kein Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld bezahlen zu müssen. (Dabei ist der Gebäudereiniger-Tarifvertrag keineswegs üppig.) Und kaum einer muckt, weil alle irgendwie über die Runden kommen müssen. Un von de Jewerkschaft hörste nüscht. Mit einem Grundeinkommen würden sie aber mucken. Mehr aufrechte Gang wäre möglich, mehr Engagement für eigene und fremde Belange, und nicht zu letzt auch mehr gewerkschaftliche Arbeit.

Die Schaffung einer Armutsschicht (die in den Debatten mal als 'Unterschicht', mal als 'bildungsfern' tituliert wird) ist doch ein sittliches Unding und eine Verschwendung von Begabungen noch dazu. Die Dreistigkeit mit der den Empfängern niedriger Löhne die Begabung, die angeblich zu höheren berechtigen würde, abgesprochen wird, wundert mit immer noch. (Ein Bekannter, ein Ingenieur mit Doktorgrad, war etwa 40 und in leitender Position in einem Industriebetrieb der DDR, als selbige zu existieren aufhörte. Tja, das war's dann. Von da ab nur noch irreguläre Beschäftigung. Als ob's auf 'Bildung' ankäme, wenn man Pech hat. Und als ob viele unserer Großkopferten besonders klug oder gebildet wären.) Wieder so eine Spaltung: Der Appell an die Mittelschichten, sich von den Armen als angeblich Dummen abzuwenden, die 'uns' aus ebenso angeblich eigener Schuld auf der Tasche lägen.

Und noch mehr Spaltungen: Beschworen wird irgendeine Prozentzahl von (angeblich) 'integrationsunwilligen' Mitbürgern, und allenthalben kriecht man aus den Löchern, um noch eines draufzulegen: Der Islam sei das Problem, oder die (angebliche) Dummheit gewisser Einwanderergruppen oder ihr zu geringer Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Der greise Karl Doehring bescheinigt 'dem Islam', er sei nicht verfassungskonform, und Regina Mönch isoliert aus einer Gesamtstatistik über Gewalt an Schulen ebenfalls den Islam. (Hierzu eine Kleinigkeit: Die Planstelle des Schulhoftyrannen war an den Schulen, die ich besuchte, mit Deutschen aus Problemfamilien besetzt. Die haben mich oft verbal und gelegentlich tätlich angegriffen. Wenn dieselben Planstellen in Stadtteilen, in denen sowieso die Hälfte der Jugendlichen Türken sind, mit Türken besetzt sind, macht sich sofort einer anheischig den Schuldigen zu benennen: der Islam. Das überzeugt mich in Erinnerung an meine blauen Flecken wenig. Soziale Probleme, die vielen Demütigungen, die Schule schwächeren Schülern bereitet, und die besondere Zwangsgemeinschaft Schule bringen den Typus des Schulhoftyrannen hervor.) Und wieder klappt's; immer applaudiert irgendwer, wenn's ein anderer abkriegt. Leider hat sich auch Ralph Boes, der sich ums Grundeinkommen verdient gemacht hat, in einem Interview zur Äußerung hinreißen lassen, das BGE sei nur für deutsche Staatsbürger. So kann er's aber nicht gemeint haben, denn dann würden die ganz dreckigen und schlecht bezahlten Jobs hinfort von den Einwohnern ohne deutsche Staatsangehörigkeit gemacht.

Das bedingungslose Grundeinkommen kann etwas gegen diese absurde Spaltung tun, nur lässt es sich kaum durchsetzen, solange diese Spaltung besteht. Umfassende Solidarität ist die Tugend, die sich alle, die ein BGE realisieren wollen, aber auch alle, die diese Demokratie noch nicht aufgegeben haben, auf die Fahnen schreiben sollten. Ganz falsch wäre eine taktische Beteiligung an den Spaltungen: Wir wünschen ein bedingungsloses Grundeinkommen über dem Armutsniveau für alle, die hier wohnen.