Montag, 11. Januar 2010

Bericht & Materialien

Im Schneegestöber, am Samstag dem 9. 1. 2010, hielten wir es nur eine Stunde aus. Unsere Gesprächspartner hatten es noch eiliger, zum warmen Ofen zurückzukehren. Einige Gespräche gab es immerhin, wenn auch zum Teil bizarre. Eine alte Frau wünschte sich, "dass der Hitler wiederkäme", um uns Vollbeschäftigung und Sicherheit zu bringen. Ob sie denn auch Krieg, Massenmord und Rassismus wolle? Nein, ohne das, aber mit Hitler. Sie meint also gar nicht den wirklichen Hitler. Einer von uns hielt das Gespräch mit dieser Frau für sinnlos, mir aber scheint es richtig, mit jedem zu reden und dieses Urteil erst nach dem Gespräch zu fällen. Da sie noch am Leben ist, kann sie ihre Meinung ändern und statt einer rechtsextremen Partei etwa eine wählen, die die Würde aller Menschen ernst nimmt und dazu ein Grundeinkommen für geeignet ansieht. Nur, dass es diese Partei nicht gibt.

Ansonsten auch wieder positive oder wenigstens neugierige Reaktionen.

Aber, wie gesagt, insgesamt mehr ein Schneetag als ein Schwatztag. Eilig an uns vorbeihuschend sagte eine junge Frau "Ich studiere BWL. Mich kriegt ihr mit sowas nicht." Kriegen? Mit sowas? Wollten wir etwa sozialistische Waschmaschinen loswerden? Ohne Schnee hätten wir noch etwas einwenden können, aber sie war im Nu in weißlichen Wirbeln verschwunden.

Morgen, am Dienstag den 11. Januar, um 20 Uhr, sitzen einige von uns im Cafe Kotti (vom Kottbusser Tor Richtung Adalbertstraße blickend, sieht man das Cafe links im ersten Stock des 'Zentrum Kreuzberg' genannten Betonriegels, der der die Adalbertsraße überspannt.) Wenn also etwa eine oder einer von denen, mit denen wir gesprochen haben, über das Grundeinkommen und anderes reden möchte: Das wäre eine Gelegenheit.


Im Anhang die Flugblätter, die wir verteilen:

------------------------------------ Das lange Flugblatt:

GRUNDEINKOMMEN FÜR ALLE

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen?

Die Arbeitsproduktivität in Landwirtschaft und Industrie ist im vergangenen Jahrhundert enorm gestiegen und steigt noch immer. Nur ein Bruchteil der menschlichen Arbeitszeit versorgt bereits alle Menschen mit Gütern. Die moralische Verpflichtung, durch die eigene Arbeit einen Beitrag zur Güterproduktion zu leisten, hatte in Zeiten des Mangels einen Sinn. Jetzt aber haben die Maschinen diesen Mangel in vielen Bereichen überwunden. Ein Landwirt in einem Industrieland vesorgt Hunderte von Menschen mit Nahrungsmitteln. Immer mehr Menschen arbeiten in Dienstleistungsberufen, die nicht so leicht einer Rationalisierung zum Opfer fallen. Aber es gibt auch nicht genügend viele bezahlte Dienstleistungen. Vollbeschäftigung ist in Industriegesellschaften die Ausnahme, nicht die Regel. Wenn Politiker Vollbeschäftigung in Aussicht stellen, so meinen sie, wenn sie überhaupt etwas damit meinen, jedenfalls keine reguläre, anständig bezahlte Arbeit.

Ob man nun die durch Rationalisierung verlorengegangenen Arbeitsplätze beklagt oder nicht, sie bleiben verschwunden, und es ist widersinnig, einem, der keiner Erwerbsarbeit nachgeht, dies zu Vorwurf zu machen, wenn seine Erwerbsarbeit nicht gebraucht, er aber durchaus gebraucht wird als Freund seiner Freunde, Erzieher seiner Kinder, politisch bewusster Bürger, der nicht bloß Stimmvieh sein will, und die Zeitung liest, um etwas zu verstehen. Viele sinnvolle Tätigkeiten taugen derzeit nicht zur Erwerbsarbeit, etwa armen Rentnern etwas vorzulesen. Viele, auch Arbeitslose, tun so etwas freiwillig und unentgeltlich. Wer Hartz IV empfängt, darf allerdings auch nicht mehr als eine gewisse Zahl von Stunden ehrenamtlich arbeiten, da er ja sonst dem Arbeitsmarkt, der ihn nicht will, nicht genügend zur Verfügung stünde.

Und der Müßiggang selbst ist natürlich auch kein Laster, wenn die Maschinen den Menschen geholfen haben, den Mangel zu überwinden. Und ebensowenig wäre er für einen freien Menschen der Laster Anfang. Wer aber jetzt arbeitslos wird, fühlt sich gar selbst minderwertig. Die Menschheit hat sich durch Erfindungen immer mehr vom Joch der Arbeit befreit und kann nun nichts damit anfangen. In einer Art Alterstarrsinn bleibt sie sinnlos gewordenen Werten verhaftet.

Fordern und Fördern?

Diese flotte Formulierung, mit der sich Hartz IV vermarktet, ist für die Arbeitslosen mit zahllosen Demütigungen verbunden, Datenerhebungen, Auflagen, Sanktionen, Maßnahmen. Du hast keine Arbeit, also dürfen wir dich als Unmündigen behandeln. Der jetzt beklatschte Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt hat vor allem Menschen in Billiglohn gebracht. Mit viel Arbeit und wenig Entfaltungsmöglichkeiten sehen sie dann der Altersarmut entgegen.

Jeder hat ein würdiges Leben verdient, und muss es sich nicht erst verdienen. Auch der Nichtsnutz verdient ein würdiges Leben, weil eben keiner Mangel leidet, wenn einige nichts Produktives tun. Was für ein grauenhaftes Menschenbild muss man haben, um zu denken, dass der Mensch nur unter dem Druck der Existenzangst etwas tut? Das Misstrauen aber schafft seine Gründe: Eigene Ideen ersticken in Demütigungen, am Ende erzieht sich ein System, das niemandem traut, bockige Menschen, denen es nicht trauen kann.

Ging es beim Arbeitslosengeld nicht auch darum, dem Arbeitenden die Angst vor der Macht des Arbeitgebers, ihn in die Arbeitslosigkeit abstürzen zu lassen, zu nehmen? Die Angst macht ihn aus einem freien Menschen zu einer Ware, deren Preis andere bestimmen. Erst der Arbeiter, der keine Angst hat, kann seinen Preis verhandeln. Erst dann gibt es überhaupt einen Arbeitsmarkt.
Mit freier Verhandlungsmacht würden nicht wenige halbe Stellen ganzen vorziehen. Einige sind arbeitslos, die übrigen arbeiten häufig mehr, als ihnen gut tut. In den letzten Jahren gab es in Deutschland eine Rekordzahl an psychischen Erkrankungen und die niedrigste Zahl von Krankschreibungen seit Einführung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (1970).


Die nehmen uns den Arbeitsplatz weg

Die produktive Arbeit wird weniger durch steigende Produktivität. Das gilt nicht nur für ein Land, sondern für die Welt. Wir sind unfähig, das als Gewinn zu sehen, und erheben Arbeitsplätze, auch schlechte, zum Wert an sich. Also versuchen es alle Staaten in Zeiten des Waren-Freihandels mit Arbeitsmarktprotektionismus. Flüchtlinge werden oft zwar geduldet, erhalten aber keine Arbeitserlaubnis. Polen wird zwar in die EU aufgenommen, unser Arbeitsmarkt bleibt den Polen aber fürs erste verschlossen. Der einzelne Angestellte oder Arbeitslose schaut die unerwünschten Konkurrenten scheel an. Solange die Arbeitslosigkeit die heutige Bedeutung hat, ist es ihm nicht ganz zu verdenken, aber das muss alles nicht so sein, weder die Angst noch die daraus geborene Missgunst ist nötig. In Wahrheit ist es doch falsch, dass lauter Abhängige sich gegeneinander richten, statt die Bedingungen ihrer Abhängigkeit zu verbessern.

Ich habe mir schließlich auch alles selbst erarbeitet

Aha, und die Maschinen erfunden und gebaut, an denen Sie arbeiten; die Lehrer ausgebildet, von denen Sie gelernt haben; das Brot gebacken, mit dem Sie groß geworden sind, und das Getreide angebaut, aus dem es gebacken wurde? Jeder verdankt anderen viel, keiner hat sich seit den Tagen der Subsistenzwirtschaft alles selbst erarbeitet. Durch eigene Arbeit kauft sich niemand frei von den Schulden, die er bei anderen, Lebenden und Toten hat. Und umgekehrt verwirkt auch der, der nicht für Geld arbeitet, keineswegs den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben. Beide sind Schuldner, und beide haben Rechte.

Aus der Fabel von der Ameise und der Grille können wir nichts mehr lernen.


WAS ALSO TUN? NACHDENKEN.

Wir denken auch drüber nach und sehen uns nach Ideen um, die helfen könnten. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle wird derzeit unter anderem in Netzwerk Grundeinkommen (http://www.grundeinkommen.de), von verschiedenen Bürgerinitiativen und von dem Unternehmer Götz Werner diskutiert (http://www.unternimm-die-zukunft.de/). Statt einer Beihilfe, die man sich unter Auflagen erbetteln muss, erhielte jeder, ob reich oder arm, eine Grundsicherung, die am mittleren Einkommen orientiert wäre und über der Armutsgrenze läge. In Werners Konzept würde dieses Grundeinkommen durch Konsumsteuern finanziert. Niemand kann ganz absehen, wie ein solches Grundeinkommen funktionieren würde. Es käme auf einen Versuch an. „Keine Experimente“ ist ein schlechter Rat, wenn sich die Welt verändert.


Was wir möchten... (http://www.samstags-demonstration.blogspot.com/)
Wir wollen an jedem zweiten Samstag im Monat eine kleine und vielleicht allmählich größere Demonstration in Berlin durchführen.

An einer Samstagsdemonstration können nicht nur Arbeitslose teilnehmen.

Viele, die zuviel unter schlechten Bedingungen für wenig Lohn arbeiten und vor der Arbeitslosigkeit Angst haben, sind nicht glücklich.

Viele Arbeitslose, die sich schikanieren lassen müssen, sind unglücklich.

Flüchtlinge in Dauerduldung oder Abschiebegefängnissen sind unglücklich.

Wir glauben, dass es besser ist, diese Formen des Unglücks nicht für unvermeidlich zu halten. Gesetze lassen sich ändern, wenn sich die Gesellschaft bewegt.


Bertrand Russell (1932, „In Praise of Idleness“)

Hier wird die Moral des Sklavenstaates unter Umständen angewendet, die so ganz anders sind als die, unter denen sie entstanden ist. Kein Wunder, mit furchtbaren Ergebnissen.. Lassen Sie uns ein illustrierendes Beispiel betrachten: Nehmen wir an, dass zu einem gewissen Zeitpunkt eine gewisse Zahl von Leuten damit beschäftigt ist, Nägel herzustellen. Sie stellen mit acht Stunden täglicher Arbeit alle Nägel her, die die Welt braucht. Jemand macht eine Erfindung, mit deren Hilfe dieselbe Zahl von Arbeitern doppelt so viele Nägel herstellen kann. Nägel sind aber bereits so billig, dass auch für einen niedrigeren Preis kaum mehr davon vekäuflich sind. In einer vernünftigen Welt, würde jeder, der mit der Herstellung von Nägeln befasst ist, nur noch vier anstelle von acht Stunden arbeiten, und sonst bliebe alles beim Alten. In unserer Welt arbeiten die Leute weiter acht Stunden, es gibt zu viele Nägel, einige Arbeitgeber gehen bankrott, und die Hälfte der Leute, die bisher Nägel hergestellt haben, wird entlassen. Am Ende gibt es gerade so viel Müßiggang wie im anderen Schema, nur ist die Hälfte der Leute müßig, die andere Hälfte immer noch überarbeitet. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass der unvermeidliche Müßiggang überall Unglück hervorbringt statt eine Quelle des Glücks zu sein. Kann man sich etwas Verrückteres vorstellen?

--------------------------------- Das kurze Flugblatt:


BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN

Jeder hat ein bedingungsloses Recht auf Leben, Nahrung, Wohnung und Bildung. Für die Wahrnehmung dieser Rechte benötigt hier jeder ein Einkommen. Der Anspruch auf ein Grundeinkommen wird durch den Sozialstaat im Prinzip anerkannt, aber im Rahmen von Hartz IV an demütigende Bedingungen der Kontrolle und des Zwangs geknüpft. Je unzumutbarer diese Bedingungen sind, desto mehr Menschen geben sich notgedrungen mit schlecht bezahlten Jobs unter schlechten Bedingungen zufrieden. Unter den Arbeitslosen und unter den schlecht Arbeitenden werden viele krank und traurig.

Wir schlagen ein bedingungsloses Grundeinkommen über der Armutsschwelle vor, das jeder erhält, ob er nun Arbeit hat oder nicht. Ein solches Grundeinkommen wäre durch Steuern finanzierbar, durch Konsumsteuern oder auch durch andere (das wurde nachgerechnet).
Es gäbe keine „Bedürftigkeitsprüfung“, keine „Wiedereingliederungs-vereinbarung“ mehr, es wäre keine demütigende Notversorgung, sondern die Wahrnehmung eines Grundrechts.


Ja, wer wird denn dann noch arbeiten? Wer gerne arbeitet; wer Sinn in seiner Arbeit sieht; wer gut bezahlt wird; wer sowieso schon unbezahlt ehrenamtlich arbeitet, seine Kinder erzieht, anderen hilft. Und das sind wahrscheinlich die meisten. In Umfragen sagen die meisten von sich, sie würden auch mit einem Grundeinkommen arbeiten. Die meisten nehmen aber zugleich an, die anderen seien faul. Nur wenige glauben, sie müssten gegängelt und bevormundet werden. Warum wagen wir denn nicht den Schritt in ein System, in dem auch die anderen nicht gegängelt und bevormundet werden?

Arbeit und Einkommen werden durch diese Idee teilweise entkoppelt. Eine immer produktivere Wirtschaft hat viele Arbeitsplätze wegrationalisiert. Es ist unter den gegenwärtigen Bedingungen sehr schlimm, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Auch mit einem Grundeinkommen kann es schlimm sein, die Arbeit und die Kollegen und den Lohn zu verlieren, aber es wäre kein so bodenloser Absturz wie jetzt. Man könnte Stolz und Eigeninitative behalten. Es wäre dann auch möglich, in der wachsenden Produktivität eine Befreiung der Menschen für anderes zu sehen.

Das Grundeinkommen ist nicht die Antwort auf alle sozialen Fragen, sondern ein neuer Anfang. Wir spazieren schon seit zwei Jahren einmal monatlich durch die Stadt und reden mit Leuten über diese Idee. Dabei haben wir bemerkt, dass die meisten, denen es schlecht geht, nichts mehr hoffen, sich nicht politisch engagieren, nicht mehr auf Solidarität bauen. Manche schieben auch die Schuld auf „die Ausländer“, die doch im selben Boot sitzen und gerade so betroffen sind. Die Angst derer, die Arbeit haben, und die Demütigung derer, die keine haben, verhindern Solidarität. Wir wagen zu hoffen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen mehr aufrechten Gang, mehr Solidarität, mehr politisches Engagement und mehr Zuversicht ermöglicht.

In den letzten zwanzig Jahren ist dieses Land reicher geworden, hat aber mehr Arme hervorgebracht. Finden wir uns nicht ab mit dieser Tristesse!

Wer sind wir? Wir sind keine Partei, sondern einige Freunde, die seit zwei Jahren einmal monatlich einen „Demo-Spaziergang“ veranstalten. An jedem zweiten Samstag im Monat treffen wir uns dazu gegen 12 Uhr im Cafe Kotti am Kottbusser Tor (im ersten Stock, links von der Durchfahrt der Adalbertstraße durch den Betonriegel 'Zentrum Kreuzberg'.) Jeweils am Dienstag nach der Demonstration treffen wir uns nochmal um 20 Uhr im Cafe Kotti, um über das Grundeinkommen & anderes zu reden. (Und anderes! Man kann nämlich nicht über das Grundeinkommen nachdenken, ohne sich alle möglichen politischen und gesellschaftlichen Fragen zu stellen. Nicht einfach alles als gegeben hinzunehmen ist ein guter Anfang.)





Kontakt:
http://www.samstags-demonstration.blogspot.com

Dort finden sich auch Links auf weitere Gruppen, die sich mit dem Grundeinkommen befassen.

4 Kommentare:

BWL Student hat gesagt…

Grundeinkommen das ist doch blödsinn.

Jeder der ein Einkommen will muss sich eben eine Arbeit suchen so einfach ist das.

Am besten man schafft Hartz ab und verteilt nur noch Lebensmittelmarken, dann würde es nicht mehr für Alk und Bier reichen. Dann hätten die Arbeitslosen ganz schnell eine neue Stelle und würden auch fleißiger arbeiten.

Das würde dem Staat viel Geld sparen so das man die Steuern für Leistungsträger und Firmen senken könnte. Dadurch würde Deutschland international wettbewerbsfähiger und mehr Arbeitsplätze würden entstehen.

Grundeinkommen subventioniert nur die Faulheit und gefärdet das Wachstum.

Beccaria hat gesagt…

Hm, BWL Student, darf ich fragen, wo Sie leben? Und wie Sie sich vorstellen, dass "jeder sich eine Arbeit sucht" (von der er auch leben kann)? Es gibt nämlich bereits Millionen von Arbeitsplätzen, von deren Entlohnung man mangels Mindestlöhnen nicht leben kann und im übrigen zu wenig freie Stellen. Wenn Sie in manchen Teilen Baden-Württembergs oder Bayern wohnen, könnte Ihnen Ihr Vorschlag realistisch vorkommen, aufs Ganze bezogen ist er das nicht. Der Vorwurf, dass die Arbeitslosen ihr Geld versaufen, statt sich eine Arbeit zu suchen, ist eine Pauschalbeleidigung, die an den Schicksalen der meisten vorbeigeht. Manche Medien zeigen gerne versoffene "Unterschichten", aber so ist die Welt nun einmal nicht. Ich wohne in Berlin, wo die meisten Industriearbeitsplätze quasi über Nacht verschwunden sind. Ja, sollen sie woanders hin gehen. Es sind ja viele Tausend in den Westen gegangen. Wären alle gegangen, dann hätte der Westen jetzt eine höhere Arbeitslosigkeit und Berlin eine niedrigere, juchhe. Aber vielleicht wollen's auch nur ein bisschen provozieren. Apropos "Leistungsträger": Nach einer Studie der New Economics Foundation vernichten Manager und Werbefachleute auf die Gesamtproduktion bezogen Werte, Gebäudereiniger und Krankenpfleger erzeugen welche. (s.http://news.bbc.co.uk/2/hi/business/8410489.stm) Die Gehälter haben mit der effektiven Leistung offenbar wenig zu tun.

Georg hat gesagt…

Ich möchte noch auf ein Buch hinweisen, das nicht nur dem BWL-Studenten widerspricht, der ja keineswegs eine Minderheit, sondern nur eine seit schon einigen Jahren nicht ernstgenommene Mehrheit an den Unis wiedergibt - sondern auch ein Kapitel zum Grundeinkommen hat. Das Buch heißt "Ausverkauf der Politik", ist von Katja Kipping, und für die Demo sind auf S.131-143 einige teils bekannte, teils schöne neue Argumente. Kapitel 6 ist ganz dem Grundeinkommen gewidmet, es kommt aber auch in den andern Kapiteln immer mal vor. Mir gefällt an dem Buch von Katja Kipping, daß es weder allzu einfach geschrieben ist, noch die ausgrenzt, die die manchmal gewollt verblasenen Schriften nunmal nicht verstehen können, selbst wenn sie es wollten. Wir sehen ja in diesen Tagen wieder, wie Medien wirken - der kalte Winter wird wie der Beginn des 3.Weltkriegs berichtet, und erstaunlich große Mehrheiten machen diese Massenhysterie mit, wie wir hier sehen konnten, die 3mal die Woche 4-9 Stunden draußen arbeiten, und durchaus nicht umkommen dabei... Unangenehm ist es für manche, aber wie berichtet wird, von den Daueraufgeregten, die der Journalismus zunehmend braucht, studierte Dauererregte - das verdummt auch. Das muß man, da es schon 20 Jahre so geht, berücksichtigen, und Katja Kipping tut das.
Katja Kipping setzt sich schon seit Jahren fürs Grundeinkommen ein, und interessant ist auch, wie sie ihre Erfahrungen an der Uni um 1997 beschreibt - "Entpolitisierung und Cäsarismus" heißen die betr. Seiten. Hoffentlich gibt es das Buch in vielen Stadtbüchereien. Ein Argument, grade gegen die wenig demokratische Medienkreischerei, Katja Kippings ist, daß man z.B. auch mit 50 oder 60 mit dem Grundeinkommen die eigene Bildung vergrößern kann. Neu studieren zum Beispiel...all das durchschauen lernen, das man täglich wie in einem großen Trichter ins Hirn geblasen bekommt, ja gar nicht ungeschickt, nur unendlich übertrieben... Es gibt viele Argumente für ein Grundeinkommen. Das "Faulheit"-Argument von BWL-Student ist eines, das die Medien tatsächlich immer wieder wiederholen werden, sobald das Grundeinkommensbewegung so groß sein wird, daß es "zur Wahl" stehen wird. Das noch länger zu verdrängen, wie es Intellektuelle der letzten Jahre so gerne taten, in ihren solipsistischen Spielchen und Posen, wird nicht verhindern, daß die Medien damit gegen Grundeinkommen stänkern werden. Insofern freuen mich auch Kommentare wie von BWL Student - es ist gut, seine Gegner zu kennen, statt sie schönzureden oder zu unterschätzen. Alles, was BWL Student hier sagt, wurde im Grunde 2008 von der Realität widerlegt, aber da die Opposition nicht mehr stark genug ist, wird all das weiter behauptet.

Dipl.-Kfm. hat gesagt…

Grundeinkommen schafft Wachstum

Die von "BWL-Student" vertretenen neoklassischen/neoliberalen Thesen sind höchst umstritten, um nicht zu sagen falsch. Gerade die neoliberale Wirtschaftspolitik nach dem Motto "die Märkte regulieren sich selbst, und jeder staatliche Eingriff ist schädlich" hat die jetzige Wirtschafts- und Finanzkrise verursacht.

Im ersten Semester VWL lernt man, woraus sich das Bruttoinlandsprodukt im wesentlichen zusammensetzt:

Konsumausgaben (Privathaushalte)
Private Konsumausgaben (Staat)
Investitionen
Außenbeitrag (Exporte minus Importe)

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist - genauso wie z.B. die Abwrackprämie - nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, die den privaten Konsum nachhaltig fördert und stützt und damit auch eine Stütze für das Bruttoinlandsprodukt darstellt. Da die deutsche Wirtschaft ohnehin zu exportabhängig lastig ist, ist die Stützung des privaten Konsums äußerst wichtig.

Steuererleichterungen für Unternehmen, Selbständige und Besserverdienende hingegen verpuffen größtenteils, weil sie vor allem zu einer erhöhten Ersparnis führen - und nur in geringem Maße zu höheren Investitionen und höherem privaten Konsum.

Stichpunkt Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen: man darf sich nicht ausschließlich auf die Exporte verlassen. Es ist ebenso im gesamtwirtschaftlichen Interesse, den privaten Konsum zu fördern und zu stabilisieren, und zwar nachhaltig - durch ein bedingungsloses Grundeinkommen!