Samstag, 11. Juni 2011

Am Samstag, dem 25. Juni 2011,

demonspazieren wir wieder für ein bedingungsloses Grundeinkommen.


Der Gedanke eines bedingungslosen Grundeinkommens trifft oft auf energischen Widerstand. Tief sitzt die vermeintlich moralische Überzeugung, das Recht auf ein Einkommen erwerbe man sich erst durch Arbeit.

- Und die Kinder? - Die freilich nicht, die können ja noch nicht arbeiten.

Und die Alten? - Die haben ja gearbeitet. - Und was ist mit den Alten, die nicht gearbeitet haben?

- Und die Kranken? - Nun, die können ja auch nicht arbeiten, sollten also trotzdem ein Einkommen erhalten.

- Und die, die zwar einen Beruf erlernt haben, aber keine Anstellung bekommen? - Nun, meinetwegen sollen die auch ein Einkommen haben.


Das Moralisieren will darauf hinaus, dass die, die nicht arbeiten wollen, eben kein Einkommen haben sollen. Sollen also die Faulenzer Hungers sterben? So weit gehen nun wieder die wenigsten. Grundrechte muss man sich nicht verdienen, man hat sie.

Wir haben noch keinen getroffen, der den Grundsatz, nur Arbeit berechtige zu einem Einkommen, konsequent vertritt. Wenn nur Arbeit zu einem Einkommen berechtigt, darf es keine ererbtes Kapital mehr geben. Die größten Einkommen verdanken sich Kapitalerträgen, ganz ohne Arbeit. Andererseits gibt es ja viel schädliche und doch hoch bezahlte Arbeit, etwa die Arbeit derjenigen Finanzexperten, die die "Krise" herbeigeführt haben, an deren Folgen jetzt noch viele leiden. Auch mag es wirklich fleißige Profikiller geben. Es gibt nirgends ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Arbeit, ihrem Wert für den Einzelnen und die Gesellschaft und dem daraus bezogenen Einkommen. Arbeitslöhne spiegeln Machtverhältnisse, nicht höhere Gerechtigkeit wieder. Erkämpft eine Gewerkschaft keinen höheren Lohn, bleibt er eben niedrig, unabhängig vom Wert der Arbeit. Ein großer Teil der geleisteten Arbeit, vielleicht sogar der größere, wird ohnehin nie finanziell belohnt.


- Sollen Eltern, die ihre Kinder erziehen, aber keiner Lohnarbeit nachgehen, ein Grundeinkommen haben?
- Hm, wohl schon, das ist doch Arbeit.
- Soll einer, der die ganze Zeit Freunden und Fremden behilflich ist, aber keine Lohnarbeit annimmt, ein Grundeinkommen haben?
- Der wohl eher nicht.
- Aber er arbeitet.


Eine Tätigkeit, die man gerne und zum Nutzen anderer ausübt, taugt nicht unbedingt zur Lohnarbeit, auch wenn sie vernünftigerweise einer weniger gerne und mit weniger Nutzen ausgeübten Lohnarbeit vorzuziehen ist.

Die ganze Scheinmoral führt in die Irre. Der Mensch hat ein Recht auf Leben, Wohnung, Bildung und alles, was er dazu braucht. Und wenn er nun lebt, kann der Mensch etwas arbeiten. Der arbeitslose Schlosser, der ein Grundeinkommen hätte, könnte Fahrräder reparieren oder mit Jugendlichen eine Werkstatt aufbauen. Der arbeitslose Schlosser ohne ein Grundeinkommen sieht sich schließlich genötigt, als Wachmann, Türsteher, 1-Euro-Jobber zu 'arbeiten'. Die Gesellschaft verliert den Nutzen an seinen Fähigkeiten, er selbst noch viel mehr.

Die Scheinmoral ist leicht widerlegt, aber schwer überwunden, solange die BILD-Zeitung (um ein Beispiel zu geben) in regelmäßigen Abständen 'Faulenzer' und 'Sozialschmarotzer' vorführt, um im Namen solcher Moral die Armen gegen die Armen aufzuhetzen. Das Verhalten Einzelner wird zum Skandal erklärt, der große Skandal aber verschwiegen, dass der Mensch auf dem Arbeitsmarkt eine Ware ist, die sich verkaufen muss.

Nun treffen wir auch Leute, die bestimmt keine BILD-Zeitung lesen, und die sich mit einem Studienabschluss zu weit besseren Bedingungen verkaufen können. 'Bildung, Bildung, Bildung' schlagen sie dann als Lösung vor, wobei mitschwingt, dass die Ungebildeten völlig zu recht schlecht bezahlt oder zu x-beliebigen Tätigkeiten genötigt werden. 'Jede Arbeit ist zumutbar.' Rechte von Bildung abhängig zu machen, ist eine leider gar nicht so seltene Form von Klassenmoral.

- Sie sind, wie ich gehört habe, Lehrer?
- Ja.
- Nun, alle Lehrerstellen sind besetzt, aber sie können Klos putzen für fünf Euro die Stunde.


Ist das anderen Zumutbare auch mir zumutbar? Eine ehrliche Antwort auf diese und andere Fragen ist nur schwer zu bekommen.

Die BILD- und die Bildungs-Variante der Scheinmoral ähneln sich letztendlich sehr. Indem einmal die Faulenzer, einmal die Deppen schuld sind, erübrigt sich die Suche nach einer menschlicheren Ordnung. Seltsamerweise verschwindet hinter dem Verurteilen anderer sogar die Frage nach den eigenen Bedürfnissen. Will nicht jeder entscheiden können, was er arbeitet und zu welchen Bedingungen? Und ist dazu nicht die Sicherheit eines Einkommens erforderlich? Wenn einer, weil er die Deppen für das Problem hält, die eigenen Bedürfnisse nicht mehr begreift, wird er selbst zum Depp. Der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit führt über diese schmerzhafte Erkenntnis.

Das bedingungslose Grundeinkommen wird nur durchsetzbar sein mit einer beharrlichen Aufklärung, die weit über das Thema Grundeinkommen hinausgeht.

1 Kommentar:

zerniboi hat gesagt…

Gerade im Falle der öffentlichen Verunglimpfung von Menschen, die Hartz4 beziehen, liegt nicht selten der Tatbestand der Volksverhetzung vor. §130 des Strafgesetzbuches ist hier sehr unmissverständlich und sieht in so einem Fall Gefängnis von bis zu fünf Jahren vor.- Zurecht.