Jeder hat ein bedingungloses Recht auf Leben, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung, das er hier nur mit einem Einkommen wahrnehmen kann. Dennoch wird ein Einkommen an Bedingungen geknüpft. Wer nicht von einer Lohnarbeit leben kann, erhält die staatliche Unterstützung nur dann in voller Höhe, wenn er die Vorschriften der Arbeitsagentur akzeptiert. Da muss er etwa eine "Massnahme" oder einen "1-Euro-Job" annehmen oder die Definition einer "zumutbaren Stelle" akzeptieren, die ihm sein Sachbearbeiter zumutet. Je schikanöser die Bedingungen, desto leichter hat es ein Billiglohnsektor zu bestehen. Ein schlechter und schlecht bezahlter Job sei immer noch besser als keiner lehrt uns die Furcht. Die Gewerkschaften haben bisher zu wenig gegen die Ausbreitung dieses Sektors getan.
Ein bedingungsloses Einkommen über der Armutsgrenze ermöglicht die Wahl zwischen Lohnarbeit, ehrenamtlicher Arbeit und sonstigen Tätigen. Nur wer eine Arbeit auch ablehnen kann, kann die Bedingungen der Arbeit verhandeln. Auch solidarisches Handeln hat mehr Chancen, wenn die Angst schwindet und deren Gebot, "sich um sich selbst zu kümmern".
Das bedingungslose Grundeinkommen wird derzeit von keiner Partei vertreten, insbesondere ist es etwas ganz anderes als das im Koalitionvertrag der CDU/CSU/FDP erwähnte bedarfsorientierte und eben nicht bedingungslose "Bürgergeld":
Die Koalition nimmt sich vor, die vielfältigen und kaum noch überschaubaren steuerfinanzierten Sozialleistungen darauf hin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang eine Zusammenfassung möglich ist. In diese Prüfung wird auch das Konzept eines bedarfsorientierten Bürgergeldes einbezogen.
Es geht der FDP hier wie in ihren Absichtserklärungen in erster Linie um "Vereinfachung". Da sie gleichzeitig die Steuern und Abgaben senken will, muss sie letztlich auch eine Verminderung der Sozialleistungen wollen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde aber ein höheres Steueraufkommen benötigen.
Wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, liesse sich über eine Aufhebung des Kündigungsschutzes reden. Solche mühsam erkämpften Rechte werden aber nicht "einfach so" aufgegeben. Manche vertreten das Grundeinkommen jetzt schon in fester Verbindung mit "Senkung der Lohnnebenkosten" und "Aufhebung des Kündigungsschutzes". Dabei besteht die Gefahr, zur Erosion der Arbeitnehmerrechte beizutragen, bevor noch ein bedingungsloses Grundeinkommen auf würdigem Niveau erreicht wurde.
Unsolidarisches Urteilen und Handeln ist üblich. Wenn etwa T. Sarrazin auf "deutschen Unterschichten" und "bis auf Gemüsehandel wirtschaftlich irrelevanten Türken und Arabern" herumhackt, gibt es mehr Nicken als Kritik. Warum sollen wir "die" durchfüttern, "die" sind doch selbst schuld? (Von der Verantwortung der Unternehmen, die ihre Arbeitsplätze abgezogen haben, war dabei nicht die Rede. Es handelt sich nämlich nicht um eine seriöse Analyse, sondern um ein gutes altes Klassenressentiment. Die, die unten sind, taugen nichts und stinken.) Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird nur durch Solidarität erreichbar sein. Das bedingungslose Grundeinkommen ist nur eine Idee, es ist kein Patentrezept. Wenn es genug Solidarität dafür gibt, wird sich auch auf anderen Gebieten viel verändern lassen, etwa: Rechte von Einwanderern; ein Schulsystem, das nicht frühzeitig aussortiert.
Was sich am bedingungslosen Grundeinkommen besonders deutlich zeigt, ist etwas, das ein unreflektierter Liberalismus gerne verschweigt: Dass die Freiheit des Einzelnen Solidarität zur Bedingung hat. Weder kann der Reiche in Frieden ohne Polizei leben, noch kann der Arme seine Rechte wahrnehmen. Rechtsschutz und Umverteilung haben den selben Ursprung.
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