am 7. Februar findet wieder unser kleiner Demonspaziergang statt, wir treffen uns gegen Mittag im Jenseits am Heinrichplatz, Kreuzberg.
Der letzte Spaziergang führte uns vom Alexanderplatz die Karl-Marx-Allee entlang. Besonders viele Leute waren dort bereit, über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zu reden, trotz schneidender Kälte. Im Ostteil der Stadt hat so gut wie jede Familie Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit, Billiglöhnen und Pendelei durchs ganze Land. Unsere Gesprächspartner billigten das Grundeinkommen nur teilweise, teilten aber größtenteil die Kritik am bestehenden Sozialsystem in der bestehenden Arbeitswelt. Bizarr war die Begegnung mit einem wirklichen Nazi, der allen Ernstes behauptet, 'Deutschland habe sich gegen Polen nur verteidigt', und der unser Sozialsystem durch Wiedererrichtung des Nationalsozialismus überflüssig machen möchte. So ein Irrsinn ist eine große Ausnahme, typisch für nichts und niemanden. Münteferings jüngster Versuch, die Linkspartei und ihre Wähler, von denen es im besagten Ostteil Berlins viele gibt, in den Geruch von Nazis zu bringen, ist ebenso unfair wie dreist. Dass der Verrat der SPD am Sinn des Sozialsystems auch die Neonazis stärkt, kann sein, er stärkt aber auch Parteien, die noch irgendetwas von dem haben, für das die SPD früher einmal zu stehen vorgab. Der Nazi war übrigens gegen das bedingungslose Grundeinkommen, selbstverständlich.
Andererseits habe ich in letzter Zeit mehrere Gespräche mit erfolgreichen, westdeutschen Mittelstandskindern geführt, die auf eine 'Deregulierung' setzen, die sie 'Freiheit' nennen. Sie sind arg sicher, zu den Gewinnern zu gehören, und haben keine Beziehung zu den Verlierern. Sie rufen 'jeder kann es schaffen' und 'jeder ist seines Glückes Schmied', ohne zu bedenken, dass das Schmieden des Glücks Voraussetzungen hat. Für die Kombination Grundeinkommen/Abschaffung des Kündigungsschutzes wären sie dennoch zu haben, aber vermutlich nur bei einem Niveau des Grundeinkommens, dass die Freiheit und Selbständigkeit des einzelnen gegenüber dem Arbeitsmarkt gerade nicht ermöglichen würde. Und dann hieße die Abschaffung des Kündigungsschutzes für ältere und weniger Qualifizierte am Ende doch, nur noch am Rande der Gesellschaft dem besseren Leben zuzuschauen.
Es muss klar sein: Wer das bedingungslose Grundeinkommen als Mittel zur Befreiung von Angst und Demütigung und vom Zwang, sich als Ware zu verkaufen, sieht, der wird es nicht zu niedrig ansetzen dürfen. Und wird nicht die anderen Rechte, die Arbeiter in vielen Jahren erkämpft haben, fahren lassen, bevor eine solche Freiheit erreicht wäre. Wenn Gewerkschaften die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens misstrauisch beäugen, haben sie damit leider teilweise recht, solange einige Vertreter der Idee (nennen wir sie vereinfachend 'FDP') ein Paket schnüren, das alle Arbeitnehmerrechte fürs Grundeinkommen über Bord kippt.
Im Gedanken der Befreiung von der Angst ist dagegen sogar die Möglichkeit eines Wiedererstarkens von Gewerkschaften angelegt, denn die gegenwärtige Angst ermöglicht kaum größere Arbeitskämpfe. Dass die gegenwärtigen Tarifrunden größere Lohnerhöhungen bringen, heißt, so viel ich sehe, nicht, dass die Gewerkschaften als gesellschaftliche Kraft wieder da wären. Denn zu den ganzen Billiglohn- und Zeitarbeitern fiel ihnen außer 'Mindestlohn' nichts ein. Das kann manchen etwas bringen, tut aber nichts gegen den Mechanismus, der einzelne zwingt, sich in Zeitarbeitsagenturen zu verdingen, die den größten Teil des Gehalts einsacken. Wir erinnern: 7 Millionen erhalten Hartz IV, davon mehr als die Hälfte als Aufstockung ungenügenden Einkommens.
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2 Kommentare:
Ich finde es toll, was ihr da macht!
Ich habe vor etwas Ähnliches für Bonn in die Wege zu leiten.
Vielleicht könnt ihr mir ein paar Tipps zur Organisation geben?
Vielen Dank schon mal und ein dickes DANKESCHÖN für eure Initiative!!
Viele Grüße aus Bonn
Daria
Hallo Daria,
wenn du magst, schick doch eine mail an janasierk@web.de, dann haben wir deine E-mail-Adresse und können antworten.
Grüße,
Jana
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