Freitag, 20. Januar 2012

Am Samstag, den 21. Januar 2012...

...spazieren wir wieder durch Berlin, um mit Passanten über ein mögliches gerechteres und freundlicheres Land zu reden. Wir werden dabei über das bedingungslose Grundeinkommen reden, es aber keineswegs für ein Patentrezept halten. Kürzlich haben wir in einer Diskussionsrunde gehört, wie man das bedingungslose Grundeinkommen als eine kleinbürgerliche, letztlich unpolitische Idee abtat. Der Gedanke aber, dass niemand zur WARE herabkommen darf, und die Suche nach einem Weg zu dessen Verwirklichung sind alles andere als unpolitisch. Der Arbeitsmarkt mehr oder minder abgespeckter Sozialstaaten erniedrigt Millionen, deren Aussichten zwischen Arbeitslosigkeit und niedrig entlohnter, wenig geachteter Arbeit changieren. Bei vielen dieser vielen begegnen wir der Resignation, die gerade nicht zum politischen Widerstand führt. Die unmittelbaren Sorgen rauben ihnen meist die Kraft für jegliches Engagement und den Glauben daran, dass es etwas brächte. Gäbe es bereits ein Grundeinkommen, könnten viele davon die Erfahrung der Autonomie machen, wo sie jetzt nur bevormundet werden, und diese nutzen, sich mit anderen zu verbünden. Es ist nicht ausgemacht, dass staatlich garantiertes Grundeinkommen die Menschen vereinzeln würde, es ist aber sicher, dass die gegenwärtigen Formen des Arbeitsmarkts und des Sozialstaats die Menschen vereinzeln.


Um ein bedingungsloses Grundeinkommen durchzusetzen, das allen Bewohnern dieses Landes volle Teilhabe und freie Entscheidungen gegenüber dem Arbeitsmarkt ermöglichen würde, bräuchte es ein erhebliches Maß steuerlicher Umverteilung, das sich über einen absoluten Anspruch des Eigentums hinwegsetzte. Es gibt Vertreter des Grundeinkommens, die sich für unpolitisch halten; sie irren sich entweder über sich selbst oder sind gefährliche Ideenverdreher à la FDP-Bürgergeld. Es wäre aber falsch, diese Schwundstufen der Idee mit ihr selbst zu verwechseln.

Die Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen - aus einer meinetwegen radikaleren und theoretisch fundierteren Position heraus - greift zu kurz, wenn sie von Leuten vorgebracht wird, die noch viel weniger Menschen mobilisieren können als der Vorschlag des bedingungslosen Grundeinkommens. Beide, Kritiker und kritisierte Idee, stehen aber vor dem selben großen Problem, wie eine bloße Idee zu verwirklichen ist. Wenn so viele hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen stünden, dass man dieses in vollem Umfang realisieren könnte, dann wäre noch ganz anderes möglich. (Jedem fällt dabei anderes ein, mir zum Beispiel: Eine sofortige Umkehr zu einer friedlichen Politik, Ablehnung des Waffenhandels, Offenheit für Einwanderung, Rückkehr zu einer Praxis des politischen Asyls, die den Bewerber nicht zum Verdächtigen macht.)

Es mag naiv sein, an den Sieg einer Idee durch ihre Überzeugungskraft zu glauben, statt sich, wie es die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts getan hat, zur Einforderung der eigenen Rechte zu organisieren und zu verbünden. In der dumpfen politischen Stagnation, in der wir uns befinden, ist der Versuch, einer Idee auf die Beine zu helfen, IMMERHIN ETWAS.

Und bekanntlich berief sich auch die Arbeiterbewegung auf Ideen.