Sonntag, 6. Februar 2011

Am Samstag, dem 19. 2. 2011,

also ausnahmsweise am dritten Samstag des Monats, demonspazieren wir wieder durch Berlin.

Schon wieder etwa leiser geworden ist das Aufschwunggebrüll. Der Anteil der Arbeitslosen, der durch Maßnahmen nicht mehr als Arbeitslose Geführten, der Zeitarbeiter und der für Billiglohn Beschäftigten sinkt nicht oder kaum: Das wurde auch gar nicht behauptet. "Aufschwung" bedeutet einen Anstieg des Brutto-Inlandsprodukts, wie auch immer sich dieses auf die Bevölkerung verteilt. Uns interessiert aber kein statistischer Fetisch, sondern ein Leben, über das wir bestimmen können. Dazu gehört auch, die eigene Arbeit zu bestimmen, eine gute unbezahlte Arbeit einer schlechten bezahlten vorziehen zu können und diese Entscheidung nicht durch Demütigungen und Armut bezahlen zu müssen.

Die Verwechslung von wirtschaftlichen Bilanzen mit einem guten Leben bewirkt überall Schlechtes. Nicolas Sarkozy entschuldigte sich für die bis fast zum Schluss zugesicherte Unterstützung des korrupten Autokraten Ben Ali, man habe sich vom "dynamisme economique" Tunesiens beeindrucken lassen. Ein großer Teil der Einnahmen des beeindruckenden hohen tunesischen Wirtschaftswachstums floss aber in die Taschen der herrschenden Familien und ließ sich nicht in Zufriedenheit übersetzen.

Also trotz oder auch gerade in Zeiten eines 'Aufschwungs' ist die Frage danach zu stellen, wie denn eine Gesellschaft das von ihr Erwirtschaftete einsetzen will. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde das systematische Unrecht (und Unglück), das unser Arbeitsmarkt, unsere Eigentumsverhältnisse und unser halbherziges Sozialsystem bewirken, wenigstens teilweise aufheben. Dass Unrecht geschieht, können wir an vielen Einzelfällen belegen; es lässt sich aber auch an Statistiken über psychische Erkrankungen und Selbstmorde ablesen.

Es kommt übrigens nicht darauf an, irgendein Unrecht nachzuweisen, um dann schön im Recht zu sein. Es kommt aber darauf an, die senile Überzeugung zu erschüttern, es sei ja alles schon perfekt. (Oftmals glauben die 'Erfolgreichen' an diese falsche Perfektion, indem sie alles, was nicht gut ist, ignorieren oder auf individuelles Versagen zurückführen. Das scheint auch in die Runzeln der von der Leyenschen Stirn graviert. Manche Angehörige der 'Mittelschicht', die von der Ungleicheit der Löhne in diesem Land profitieren, haben uns bei früheren Spaziergängen erklärt, es liege halt alles an Bildung, Bildung, Bildung. Demnach wäre ein Schikanieren der Ungebildeten gerechtfertigt? So wollte es dann doch keiner sagen. So aber klingt's auch bei Sarrazin, und Millionen klatschen. Andere Millionen aber müssen gottlob kotzen.)