Mittwoch, 28. Mai 2008

Zweite Demonstration am 7. Juni

Bald ist es wieder so weit, am 7. Juni, dem ersten Samstag im Juni werden wir eine zweite Demonstration veranstalten.

Wir laufen wieder mindestens zu dritt mit Trillerpfeifen durch Berlin und reden mit Leuten über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist kein technischer Vorschlag für ein bloß anders aufgezogenes Arbeitslosengeld, sondern ein Versuch, Menschen als frei anzusehen, Eigentätigkeit und Solidarität zu ermöglichen, s. das letzte Flugblatt.


Wer will, kann sich uns um 12:00 am Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg anschließen

oder aber

sich selbst mit Trillerpfeifen versorgen und irgendwo allein oder in kleinen Gruppen losziehen. Es hat sich beim ersten Mal gezeigt, wie günstig es ist, als kleinstmögliche Demonstration aufzutreten, da sich so viele Gespräche führen lassen.


Wundern Sie sich nicht: Viele winzige Demonstrationen wären ein größerer Beitrag zur Debatte als eine große. Die Idee, dass Demonstrationen eine "Gegenmacht" konstituieren, ist zur Zeit verfehlt, denn die Zeiten sind restaurativ, mögen auch irgendwelche Medien aus Langeweile oder Debilität etwas von "Linksruck" faseln.

Das Gespräch über die gesellschaftliche und politische Zukunft sollten wir nicht den Talkshows überlassen, denn Talkshows bewirken durch immer neu fokussierte Aufregung letzendlich Amnesie. Eine Woche heißt es "Neue Armut oder reden wir uns arm?", dann ein bisschen Klima,
dann "SPD, quo vadis", jedes Thema hat seine Halbwertszeit, die Show geht weiter. Keiner darf ja wagen, langweilig zu werden. Die Probleme indessen scheren sich nicht darum, ob man geruht, sich zu langweilen, und bestehen einfach fort.

Der gegenwärtige gesellschaftliche und politische Umgang mit der Arbeitslosigkeit ist unzulänglich und wirklichkeitsfremd. Wir müssen umdenken.

p.s. Wir würden uns über Nachrichten von anderen Samstags-Demonstrationen freuen und gegebenenfalls auf diese verweisen.

Montag, 5. Mai 2008

Bericht und Flugblatt

Auf der ersten Samstagsdemonstration sind wir zu dritt aus Kreuzberg zum Reichstag gelaufen und haben mit etwa 70 Leuten geredet.

Diesmal ging es uns um den Vorschlag, sich über ein Grundeinkommen für alle Gedanken zu machen. Es hätte manche Vorzüge vor dem jetzigen System, in dem Menschen, die arbeitslos werden, ihre Situation mit Recht als demütigend empfinden.

Manche fanden die Idee eines Grundeinkommens gut, andere nicht. Aber nur SEHR SEHR WENIGE waren zynisch. Die allermeisten wollen nicht, dass Menschen für Hungerlöhne arbeiten und wollen auch nicht, dass Menschen gedemütigt werden.

Verbreitet ist aber auch der Einwand, dass "die ja nix schaffen wollen" und man sie dann eben doch striezen und demütigen darf. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Deswegen leuchtete das so genannte "Fordern und Fördern" seit Hartz IV vielen ein, obwohl es mit dem Fördern nicht weit her ist und das Fordern ein ganz unangenehmes Doppelgesicht hat.

Da aber die wenigsten zynisch sind, lohnt es sich, dafür zu plädieren, dass VERTRAUEN BESSER IST ALS KONTROLLE, und dass es sich lohnt, Menschen als frei anzusehen.

Künftige Samstagsdemonstrationen werden sich mit diesem und anderen Themen befassen. Es wird in allen um Menschenwürde, Freiheit und Solidarität gehen. Unser Umgang mit der Arbeitslosigkeit, unser Umgang mit Flüchtlingen und unsere Beziehungen zu anderen Ländern hängen zusammen. Man kann nicht von allem zugleich reden. An irgendeiner Stelle etwas besser zu machen, wäre ja schon
etwas.


Auf der Demonstration haben wir das folgende Flugblatt verteilt:

---------------------------- Flugblatt, 3. 5. 2008 --------------------------------------


GRUNDEINKOMMEN FÜR ALLE



Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen?


Die Arbeitsproduktivität in Landwirtschaft und Industrie ist im vergangenen Jahrhundert enorm gestiegen und steigt noch immer. Nur ein Bruchteil der menschlichen Arbeitszeit versorgt bereits alle Menschen mit Gütern. Die moralische Verpflichtung, durch die eigene Arbeit einen Beitrag zur Güterproduktion zu leisten, hatte in Zeiten des Mangels einen Sinn. Jetzt aber haben die Maschinen diesen Mangel in vielen Bereichen überwunden. Ein Landwirt in einem Industrieland vesorgt Hunderte von Menschen mit Nahrungsmitteln. Immer mehr Menschen arbeiten in Dienstleistungsberufen, die nicht so leicht einer Rationalisierung zum Opfer fallen. Aber es gibt auch nicht genügend viele bezahlte Dienstleistungen. Vollbeschäftigung ist in Industriegesellschaften die Ausnahme, nicht die Regel. Wenn Glos (CSU) oder Steinmeier (SPD) Vollbeschäftigung in Aussicht stellen, so meinen sie, wenn sie überhaupt etwas damit meinen, jedenfalls keine reguläre, anständig bezahlte Arbeit.

Ob man nun die durch Rationalisierung verlorengegangenen Arbeitsplätze beklagt oder nicht, sie bleiben verschwunden, und es ist widersinnig, einem, der keiner Erwerbsarbeit nachgeht, dies zu Vorwurf zu machen, wenn seine Erwerbsarbeit nicht gebraucht, er aber durchaus gebraucht wird als Freund seiner Freunde, Erzieher seiner Kinder, politisch bewusster Bürger, der nicht bloß Stimmvieh sein will, und die Zeitung liest, um etwas zu verstehen. Viele sinnvolle Tätigkeiten taugen derzeit nicht zur Erwerbsarbeit, etwa armen (sic!) Rentnern etwas vorzulesen. Viele, auch Arbeitslose, tun so etwas freiwillig und unentgeltlich. Wer Hartz IV empfängt, darf allerdings auch nicht mehr als eine gewisse Zahl von Stunden ehrenamtlich arbeiten, da er ja sonst dem Arbeitsmarkt, der ihn nicht will, nicht genügend zur Verfügung stünde.

Und der Müßiggang selbst ist natürlich auch kein Laster, wenn die Maschinen den Menschen geholfen haben, den Mangel zu überwinden. Und ebensowenig wäre er für einen freien Menschen der Laster Anfang. Wer aber jetzt arbeitslos wird, fühlt sich gar selbst minderwertig. Die Menschheit hat sich durch Erfindungen immer mehr vom Joch der Arbeit befreit und kann nun nichts damit anfangen. In einer Art Alterstarrsinn bleibt sie sinnlos gewordenen Werten verhaftet.

Fordern und Fördern?

Diese flotte Formulierung, mit der sich Hartz IV vermarktet, ist für die Arbeitslosen mit zahllosen Demütigungen verbunden, Datenerhebungen, Auflagen, Sanktionen, Maßnahmen. Du hast keine Arbeit, also dürfen wir dich als Unmündigen behandeln. Der jetzt beklatschte Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt hat vor allem Menschen in Billiglohn gebracht. Mit viel Arbeit und wenig Entfaltungsmöglichkeiten sehen sie dann der Altersarmut entgegen.

Jeder hat ein würdiges Leben verdient, und muss es sich nicht erst verdienen. Auch der Nichtsnutz verdient ein würdiges Leben, weil eben keiner Mangel leidet, wenn einige nichts Produktives tun. Was für ein grauenhaftes Menschenbild muss man haben, um zu denken, dass der Mensch nur unter dem Druck der Existenzangst etwas tut? Das Misstrauen aber schafft seine Gründe: Eigene Ideen ersticken in Demütigungen, am Ende erzieht sich ein System, das niemandem traut, bockige Menschen, denen es nicht trauen kann.

Ging es beim Arbeitslosengeld nicht auch darum, dem Arbeitenden die Angst vor der Macht des Arbeitgebers, ihn in die Arbeitslosigkeit abstürzen zu lassen, zu nehmen? Die Angst macht ihn aus einem freien Menschen zu einer Ware, deren Preis andere bestimmen. Erst der Arbeiter, der keine Angst hat, kann seinen Preis verhandeln. Erst dann gibt es überhaupt einen Arbeitsmarkt.

Mit freier Verhandlungsmacht würden nicht wenige halbe Stellen ganzen vorziehen. Einige sind arbeitslos, die übrigen arbeiten häufig mehr, als ihnen gut tut. In den letzten Jahren gab es in Deutschland eine Rekordzahl an psychischen Erkrankungen und die niedrigste Zahl von Krankschreibungen seit Einführung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (1970).

Die nehmen uns den Arbeitsplatz weg

Die produktive Arbeit wird weniger durch steigende Produktivität. Das gilt nicht nur für ein Land, sondern für die Welt. Wir sind unfähig, das als Gewinn zu sehen, und erheben Arbeitsplätze, auch schlechte, zum Wert an sich. Also versuchen es alle Staaten in Zeiten des Waren-Freihandels mit Arbeitsmarktprotektionismus. Flüchtlinge werden oft zwar geduldet, erhalten aber keine Arbeitserlaubnis. Polen wird zwar in die EU aufgenommen, unser Arbeitsmarkt bleibt den Polen aber fürs erste verschlossen. Der einzelne Angestellte oder Arbeitslose schaut die unerwünschten Konkurrenten scheel an. Solange die Arbeitslosigkeit die heutige Bedeutung hat, ist es ihm nicht ganz zu verdenken. Die Angst wirkt sich hier als Missgunst aus. Muss das alles so sein?

Ich habe mir schließlich auch alles selbst erarbeitet

Aha, und die Maschinen erfunden und gebaut, an denen Sie arbeiten; die Lehrer ausgebildet, von denen Sie gelernt haben; das Brot gebacken, mit dem Sie groß geworden sind, und das Getreide angebaut, aus dem es gebacken wurde? Jeder verdankt anderen viel, keiner hat sich seit den Tagen der Subsistenzwirtschaft alles selbst erarbeitet. Durch eigene Arbeit kauft sich niemand frei von den Schulden, die er bei anderen, Lebenden und Toten hat. Und umgekehrt verwirkt auch der, der nicht für Geld arbeitet, keineswegs den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben. Beide sind Schuldner, und beide haben Rechte.

Aus der Fabel von der Ameise und der Grille können wir nichts mehr lernen.




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WAS ALSO TUN? NACHDENKEN.



Wir denken auch drüber nach und sehen uns nach Ideen um, die helfen könnten. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle wird derzeit unter anderem im Netzwerk Grundeinkommen (http://www.grundeinkommen.info), in verschiedenen Bürgerinitiativen und von dem Unternehmer Götz Werner diskutiert. (http://www.unternimm-die-zukunft.de/). Statt einer Beihilfe, die man sich unter Auflagen erbetteln muss, erhielte jeder, ob reich oder arm, eine Grundsicherung, die am mittleren Einkommen orientiert wäre und über der Armutsgrenze läge. In Werners Konzept würde dieses Grundeinkommen durch Konsumsteuern finanziert. Niemand kann ganz absehen, wie ein solches Grundeinkommen funktionieren würde. Es käme auf einen Versuch an. „Keine Experimente“ ist ein schlechter Rat, wenn sich die Welt verändert.

Wir wollen an jedem ersten Samstag im Monat eine kleine und vielleicht allmählich größere Demonstration in Berlin durchführen.

An einer Samstagsdemonstration können nicht nur Arbeitslose teilnehmen.

Viele, die zuviel arbeiten und Angst haben, sind nicht glücklich.

Viele Arbeitslose, die sich schikanieren lassen müssen, sind unglücklich.

Flüchtlinge in Dauerduldung oder Abschiebegefängnissen sind unglücklich.

Wir glauben, dass sich die Chancen fürs Glück verbessern lassen. Gesetze lassen sich ändern, wenn sich die Gesellschaft bewegt.


Und zum Schluss:

Bertrand Russell (1932, „In Praise of Idleness“)

Hier wird die Moral des Sklavenstaates unter Umständen angewendet, die so ganz anders sind als die, unter denen sie entstanden ist. Mit fürchterlichen Folgen, kein Wunder. Lassen Sie uns ein illustrierendes Beispiel betrachten: Nehmen wir an, dass zu einem gewissen Zeitpunkt eine gewisse Zahl von Leuten damit beschäftigt sind, Nägel herzustellen. Sie stellen mit acht Stunden täglicher Arbeit alle Nägel her, die die Welt braucht. Jemand macht eine Erfindung, mit deren Hilfe dieselbe Zahl von Arbeitern doppelt so viele Nägel herstellen kann. Nägel sind aber bereits so billig, dass auch für einen niedrigeren Preis kaum mehr davon vekäuflich sind. In einer vernünftigen Welt, würde jeder, der mit der Herstellung von Nägeln befasst ist, nur noch vier anstelle von acht Stunden arbeiten, und sonst bliebe alles beim Alten. In der unserer Welt arbeiten die Leute weiter acht Stunden, es gibt zu viele Nägel, einige Arbeitgeber gehen bankrott, und die Hälfte der Leut, die bisher Nägel hergestellt haben, wird entlassen. Am Ende gibt es gerade so viel Müßiggang wie im anderen Schema, nur ist die Hälfte der Leute müßig, die andere Hälfte immer noch überarbeitet. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass der unvermeidliche Müßiggang überall Unglück hervorbringt statt eine Quelle des Glücks zu sein. Kann man sich etwas Verrückteres vorstellen?

Samstag, 3. Mai 2008

Was wir möchten...

Wir wollen an jedem ersten Samstag im Monat eine kleine und vielleicht allmählich größere Demonstration in Berlin durchführen.

An einer Samstagsdemonstration können nicht nur Arbeitslose teilnehmen.

Viele, die zuviel arbeiten und Angst haben, sind nicht glücklich.
Viele Arbeitslose, die sich schikanieren lassen müssen, sind unglücklich.
Flüchtlinge in Dauerduldung oder Abschiebegefängnissen sind unglücklich.

Wir glauben, dass es besser ist, diese Formen des Unglücks nicht für unvermeidlich zu halten. Gesetze lassen sich ändern, wenn sich die Gesellschaft bewegt.